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Der Falke des Nordens

Der Falke des Nordens

Titel: Der Falke des Nordens
Autoren: Sandra Marton
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Dachterrasse vor ihrem Wohnzimmer auf und ab. Jetzt in der Nacht war die Hitze noch drückender als am Nachmittag und Abend. Das lange weiße Negligé aus Seide fühlte sich ganz leicht auf ihrer Haut an. Trotzdem hatte sie das Gefühl zu ersticken.
    Ihr war bewusst, dass das nur wenig mit den hohen Temperaturen zu tun hatte. Es war vielmehr die erlittene Demütigung, die sie fast krank machte.
    “
Ich liebe ihn”,
hatte sie gesagt. Doch das stimmte ja gar nicht, sie hatte Khalil nie geliebt. Warum hatte sie es dann behauptet? Etwa aus Ärger darüber, dass Sam sie für seine Zwecke hatte benutzen wollen? Nein, es musste noch mehr dahinter stecken.
    Langsam schlenderte sie ins Wohnzimmer zurück. Die Uhr auf dem Kaminsims schlug die volle Stunde. Vier Uhr! Wenn es doch schon dämmern würde, dann würde ich mir Schuhe, T-Shirt und Shorts überziehen und durch den Central Park laufen, dachte sie entnervt.
    Wieder einmal läutete das Telefon. Waren es Leute von der Presse oder Sam, der bereits dreimal angerufen hatte, um ihr vorzuwerfen, dass sie ihn ruiniert habe? Sie nahm den Hörer ab und meldete sich ziemlich unfreundlich.
    Es war tatsächlich Sam. Doch seine Wut hatte sich inzwischen gelegt, wie unschwer aus seiner Stimme zu erraten war. Jetzt klang er nur noch müde. “Willst du dich wenigstens dafür entschuldigen, mich lächerlich gemacht zu haben, Jo?”
    Erschöpft presste sie die Hand gegen die Stirn. “Natürlich. Ich habe dich nicht absichtlich in Verlegenheit gebracht, Vater.”
    “Was hat dich eigentlich angetrieben? Du hast meinen Ruf völlig zerstört!”
    Sie musste lächeln. “Du hast schon Schlimmeres überlebt.”
    Sam stieß einen tiefen Seufzer aus. “Du hast zwar nicht unbedingt recht”, meinte er, “aber vielleicht war mein Plan doch nicht so gut, wie ich dachte.”
    “Entschuldigst du dich etwa bei mir, Vater?”
    “Ich bin oft auf einem schmalen Grat zwischen richtig und falsch, Recht und Unrecht gewandert – und manchmal habe ich die Balance verloren.”
    Sie hatte nicht im Entferntesten damit gerechnet, dass er das jemals zugeben würde. Deshalb fühlte sie sich nun eigenartig berührt.
    “Du bist eine ziemlich draufgängerische junge Dame, Joanna”, erklärte Sam ruhig.
    “Ich liebe dich, Vater”, sagte Joanna leise.
    “Ich liebe dich auch.” Sie hörte, wie er tief einatmete. “Jo? Ich hatte wirklich Angst um deine Sicherheit. Nur aus diesem Grund habe ich den verdammten Vertrag nicht zerrissen. Es ist mir wichtig, dass du das glaubst. Du bedeutest die Welt für mich.”
    Sie war sehr gerührt, und Tränen traten ihr in die Augen. “Ich weiß.”
    “Nun”, erklärte er plötzlich wieder forsch. “Es ist schon spät. Du musst unbedingt einige Stunden schlafen.” Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: “Gute Nacht, Tochter.”
    Tochter! Noch nie hatte er sie so genannt. Joanna nahm den Hörer fester in die Hand. “Gute Nacht, Daddy”, verabschiedete sie sich. Dann legte sie nachdenklich auf und lächelte dabei. So, überlegte sie, etwas Gutes hat das ganze Durcheinander doch gebracht. Vielleicht konnten sie und ihr Vater endlich Freunde werden.
    Sie schreckte auf, als es plötzlich an der Tür läutete. Wem mochte der Portier Einlass gewährt haben, ohne sie erst über das Haustelefon zu informieren?
    Joanna ging langsam in den Flur. Das war offenbar ein ungeduldiger Besucher, denn es läutete schon wieder. Jemand betätigte hartnäckig und ausdauernd die Klingel, die sich in der Stille der Nacht ziemlich schrill anhörte.
    “Verschwinden Sie”, rief sie.
    Doch es nützte nichts, im Gegenteil, jetzt wurde sogar gegen die Tür geschlagen.
    “Hören Sie mich? Wenn Sie nicht sofort verschwinden, rufe ich die Polizei!”
    “Das kannst du tun, sobald ich die Tür aufgebrochen habe!”, erklang eine männliche Stimme.
    Joanna lehnte sich gegen die Wand. Überrascht und verblüfft, wie sie war, brauchte sie unbedingt einen festen Halt. “Khalil?”, sagte sie leise und ungläubig.
    “Joanna! Mach sofort auf!”
    “Nein”, entgegnete sie und blickte dabei so ängstlich auf die Tür, als würde diese jeden Augenblick aus den Angeln fallen. “Verschwinde!”
    “Gut, Joanna. Dann warten wir eben, bis andere Hausbewohner die Polizei holen. Wahrscheinlich erscheinen dann gleichzeitig ein Dutzend Reporter. Mir kann es nur recht sein. Jandara kann jede Art von Publicity gut gebrauchen.”
    Wie gehetzt und mit zitternden Fingern schloss Joanna auf und öffnete ihm die
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