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Der Falke des Lichts

Der Falke des Lichts

Titel: Der Falke des Lichts
Autoren: Gillian Bradshaw
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Mann, wenn er stirbt. Aber renn nicht im Lager der Krieger herum wie eine Hure.«
    Die Frau schaute mich nur an, und in ihren Augen spiegelte sich ihr Schmerz. »Aber du hast doch gesagt.«
    »Da hatte ich ihn noch nicht gesehen. Männer mit solch einer Wunde sterben gewöhnlich innerhalb einer Stunde.«
    »Du hättest ihn darum bitten sollen, einen Chirurgen mitzubringen«, sagte der alte Mann. »Der hier, der nützt uns nichts. Er ist ein Krieger. Was kann der von der Heilkunst wissen?«
    »Die Ärzte wollten nicht kommen«, sagte die Frau. »Fürst, er ist mein Mann, er darf nicht sterben! Vielleicht ist es nicht so schlimm, wie du glaubst. Du mußt ihm helfen! Bitte, er ist mein Mann.«
    Ich betrachtete Gwilym genauer. Er war bewußtlos, und das war sein Glück. Die Wunde sah nicht tödlich aus. Aber das kann man nicht immer genau beurteilen.
    »Du mußt ihm helfen!« bettelte die Frau. »Großer Herr, du mußt es wenigstens versuchen!«
    »Er kann nichts tun!« schnappte der alte Mann. Im stillen stimmte ich ihm zu, aber die Frau hatte recht. Ich mußte es versuchen.
    »Gut. Ich will’s versuchen. Bringt mir etwas heißes Wasser, schließt die Tür und heizt das Feuer mehr an.«
    Ich versuchte es eine Stunde lang. Ich kämpfte gegen meine Erschöpfung und den Schmerz in meinem Bein und konzentrierte mich auf den Mann. Der Speerschaft, der noch immer in seiner Lunge eingebettet war, hielt ihn am Leben, aber er verlängerte nur seine Lebenszeit und seinen Schmerz. Trotzdem, die Wunde war gerade und sauber, und wenn ich den Speer herausholte, so dachte ich - wenn der andere Lungenflügel nicht verletzt war -, dann lebte er vielleicht. Ich arbeitete. Nach langem Kampf bekam ich das Stück Holz heraus, und eine Weile glaubte ich auch, daß es ging. Aber dann sackte der andere Lungenflügel zusammen und Gwilym starb. Die Frau, die mir geholfen hatte, fühlte, wie sein Herz aufhörte zu schlagen, gerade als er seinen letzten, blutigen Atemzug hustete. Sie packte ihn bei den Haaren und begann ihn darum zu bitten, weiterzuleben. Dann begrub sie ihr Gesicht an seiner Schulter und weinte. Die anderen Frauen des Clans begannen leise zu wimmern, die Kinder heulten und die Männer schrien. Der alte Mann nickte nur und meinte: »Ich hab’ ja gesagt, er könnte es nicht.«
    Ich fühlte nichts, noch nicht einmal Mitleid. Ich hatte nur den Wunsch, wegzugehen. Ich wusch ein bißchen von dem Blut ab, zog meine Tunika und mein Kettenhemd wieder an und humpelte zur Tür. Niemand sagte ein Wort zu mir, nur einer oder zwei starrten mich haßerfüllt an, denn ihr Verwandter war ja unter meinen Händen gestorben. Ich humpelte eilig hinaus, fand Ceincaled und arbeitete mich über den schmalen Pfad wieder den Hügel hinauf. Als ich Artus’ Lager erreichte, waren die Feuer schon niedergebrannt. Mein Bein schmerzte wild, ich war durchweicht und halb erfroren, und ich wünschte mir nichts mehr als ein bißchen starken, warmen Met. Ein Wachposten hielt mich kurz an, aber als er mich erkannte, hieß er mich warm willkommen und fragte mich wegen meines Beines. Ich sagte ihm, es sei verheilt, und ich erzählte ihm auch, wie es den anderen Verwundeten ging. Da ließ er mich durch. Ceincaled wurde abgerieben und blieb haferkauend bei den Palisaden zurück, und ich hinkte zum Hauptfeuer.
    Der Willkommen, den mir die Krieger boten, war so begeistert, wie ich es mir nur wünschen konnte. Sie sprangen auf, sie drängten sich um mich herum, sie begrüßten mich leidenschaftlich und fragten nach meinem Bein und warum ich so spät käme. Agravain schenkte mir eine seiner Bärenumarmungen und sagte: »Wirklich, du hast dich jetzt also doch entschlossen, zurückzukehren und dir deinen Met zu verdienen. Willkommen! Hunderttausendmal willkommen zu Hause.«
    Ich beantwortete die Fragen, und man gab mir einen Platz neben dem Feuer, etwas Met und etwas Essen. Ich ließ mich dankbar nieder, denn ich war völlig erschöpft. Aber da erst gewahrte ich Artus, der auf der anderen Seite des Feuers mir gegenüber saß. Er sah unwirklich aus im Flimmern der Hitze, und er beobachtete mich kalt. Ich grüßte ihn mit dem Methorn und nahm einen tiefen Schluck.
    Artus nickte. »So. Du bist also zurückgekommen, um dir das Versprochene zu holen.«
    Mir war nicht danach, meine Entscheidung schon jetzt auszusprechen und den unvermeidlichen Streit auszufechten. Aber es sah so aus, als ob ich es müßte. Ich sah, wie Agravain und mehrere aus seiner Gruppe starr wurden, und ich
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