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Der Falke des Lichts

Der Falke des Lichts

Titel: Der Falke des Lichts
Autoren: Gillian Bradshaw
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nicht einsehen, wie dieser Sieg zustande gekommen war, denn Aldwulf hatte den Hohen König in der Falle und war in der Überzahl, und außerdem war er gewarnt worden. Aldwulf hätte uns ja entkommen lassen können. Ossa von Deira beschuldigte Aldwulf dieser Handlung, und seine eigenen Edlen schoben ihm auch die Schuld zu. Seine eigenen Untertanen, die ausgeraubt worden waren und jetzt keine Vorräte mehr hatten, schäumten vor Zorn, gaben Aldwulf allein die Schuld und verließen seine Armee. Die Erntezeit war fast vorüber, und auch Ossas Männer wollten zu ihren Bauernhöfen zurückkehren. Ossa selbst ritt nach bösen Streitigkeiten mit Aldwulf wieder zurück in seine Festung. Der König von Bernicia hatte also nur noch seine eigene Truppe übrig, und die bestand aus wenigen Bruchstücken. Auch er zog sich für den Winter in seine Festung zurück. So war das Land ungeschützt, und Artus griff Bernicia an und raubte es so frei aus, als ob es im Land überhaupt keinen König gäbe. Er vernichtete alle neuen Höfe an der Grenze und nahm Korn und Vieh mit, so daß es ein ganzes Jahr lang für die »Familie« ausreichte. Es blieb sogar noch etwas übrig für Geschenke.
    Ich selbst allerdings blieb bei Ogyrfan, bis meine Wunde gut genug verheilt war, um zu reiten. Das dauerte fast einen Monat. Das Gehöft war schön gelegen, und normalerweise wäre ich froh gewesen, daß ich dort meine Zeit verbringen konnte. Das Haus stand in der Nähe des Walls, der sich über die geschwungenen Hügel und Felder wand und auf deren einer Seite er eine Abgrenzung bildete. Ein frischer, schnell fließender Bach strömte an den Häusern vorüber und bewässerte die Weide. Im Süden stieg das Land an, dort waren bewaldete Täler und heidekrautüberzogene Hügel, die mit dem Schatten der Berge verschmolzen. Ogyrfan war ein kraftvoller, intelligenter Mann, der sich den Dienern des Hohen Königs gegenüber unerwartet freundlich zeigte, und Ogyrfan konnte lesen. Er hatte noch nicht einmal etwas gegen die höheren Tributzahlungen einzuwenden, die Artus für angemessen hielt, und er sagte, der Pendragon nähme nur ein paar Kühe, während die Sachsen sie alle nahmen, wenn sie konnten. Das stimmte natürlich, aber eine Wahrheit wie diese hörte man selten von Menschen, die Tribut zahlten. Ogyrfans älteste Tochter, Gwynwyfar, war auch eine angenehme Gesellschaft. Ich hatte eigentlich nie mehr mit einer Frau gesprochen, seit ich Morgas verlassen hatte, denn meiner Mutter wegen hatte ich irgendwie vor allen Frauen Angst. Gwynwyfar brachte mich dazu, anders zu denken. Sie half bei meiner Pflege mit und sorgte auch für die Gesundheit der anderen, und sie kümmerte sich in Vertretung ihres Vaters um den Besitz. Sie war stark genug, um, ohne zu zucken, Gruffyd dem Chirurgen bei der Arbeit zu helfen, und sie war schwach genug, um den Sturm zu fürchten oder über das Lied eines Vogels zu lachen. Gwynwyfar war vielleicht vier Jahre älter als ich; ihr Gesicht umhüllten Massen von tiefrotem, welligem Haar, und sie hatte lächelnde braune Augen. Eine Wärme ging von ihr aus, und sie besaß eine Grazie, die sie schön machte. Sie war auch klug und hatte sogar noch mehr gelesen als ihr Vater. Ich fühlte mich nicht von ihr angezogen, wie ein Mann von einer Frau angezogen wird, aber ihre Wärme berührte mich, berührte eine der Stellen in meiner Seele, die Morgas hatte gefrieren lassen.
    Trotz all dieser Dinge war ich ungeduldig. Ich wollte gern weg. Caledvwlch fühlte sich schwer an meiner Seite an, und ich schärfte meinen Speer, bis seine Schneide den Wind verwunden konnte. Ceincaled, der Herr über die anderen Pferde auf Ogyrfans Feldern, rannte am Morgen immer am Zaun entlang und schnaubte weiße Dampfwolken. Er wollte los, nach Rheged, in den Süden, in den Norden, wohin, das spielte gar keine Rolle. Er wollte nur wieder unterwegs sein. Und meine Entscheidung war getroffen.
    Endlich kam die Zeit Anfang Dezember, als mein Bein genug verheilt war, daß ich damit reiten konnte. Das Laufen fiel mir allerdings noch immer schwer. Ich schlang mir den Schild über die Schulter, nahm meinen Speer und bestieg Ceincaled. Die meisten anderen Krieger, die auch verwundet gewesen waren, hatten den Hof schon verlassen, und Gruffyd war mit ihnen abgezogen. Ein paar würden noch länger warten müssen. Der Wind war kalt. Er blies von Norden über den Wall und flüsterte von Schnee. Keine gute Jahreszeit zum Reisen. Aber vielleicht würde ich nicht weit reisen müssen.
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