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Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Cay Rademacher
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triumphieren?«
    »Das ist mir gleichgültig«, erwidert Schramm müde.
    Da lässt Stave ihn los.
    Der Oberinspektor tritt zwei Schritte zurück. Schweiß rinnt ihm die Schläfen hinunter. Sein Herz pocht so stark wie nach einem Boxkampf. »Ich gehe wieder hinunter«, sagt er. Seine Stimme ist bloß noch ein Krächzen. »Und wenn ich unten bin, werde ich vergessen, was ich hier oben gehört habe. Den Reimershof. Den Bronzekopf. Rolf Rosenthal. Sie existieren nicht mehr für mich.«
    Der Bankier sieht ihn fassungslos an. »Sie probieren wirklich jeden Trick aus«, flüstert er.
    Stave schüttelt den Kopf. »Es ist mein Ernst. Das war kein Mord damals nach jener Bombennacht 1943, sondern ein Augenblick höchster Angst. Ein tragischer Fehler. Niemand wird ihn mehr gutmachen können. Und Sie sind schon gestraft, auch ohne einen Richterspruch.« Er weicht vorsichtig bis zur obersten Treppenstufe zurück, geht einen Schritt, dreht sich dann noch einmal um. »Und außerdem gehöre ich nicht mehr zur Mordkommission.«
    Dann steigt Stave hinab. Schritt um Schritt. Die Angst im Nacken, einen gellenden Schrei zu hören und einen schrecklich dumpfen Aufschlag. Noch eine Stufe. Noch eine. Ihn schaudert es, vor Nässe, Kälte, Höhenangst. Noch eine Stufe.
    Als er schon zwei Absätze hinuntergegangen ist, hört der Oberinspektor ein Geräusch. Er stockt, hält den Atem an, lauscht. Das Schleifen eines Gehstockes auf Stein. Das Knirschen von Ziegelstaub unter einer Sohle. Schwere Schritte auf der Treppe, irgendwo über ihm.
    Da eilt Stave die Turmruine hinunter. Plötzlich fürchtet er den Abgrund nicht mehr.

Nachwort
    Wohl kaum ein Ereignis aus der Vorgeschichte der Bundesrepublik ist so sehr zum Mythos geworden wie die Währungsreform. Dabei ist jener regnerische Tag im Frühsommer des Jahres 1948, an dem sich alle Deutschen ihre 40 DM »Kopfgeld« abholen durften, ebenfalls ein Tag der Enttäuschung und des Verlustes gewesen – und auch des Verbrechens. Jene 5- und 10-Pfennig-Fehldrucke, die Staves und MacDonalds Aufmerksamkeit erregen, hat es tatsächlich gegeben. Sie wurden einige Tage vor dem 20.   Juni von Mitarbeitern der Landeszentralbank feilgeboten, die sie aus den Trommeln fischten, in denen die Banknoten eigentlich zerstört werden sollten. (Genauso wie übrigens auf Schwarzmärkten das hochgiftige Torpedoöl als »Bratöl« angepriesen wurde.) Aus dramaturgischen Gründen habe ich nur den Schauplatz dieses illegalen Handels auf den Schwarzmarkt am Goldbekplatz verlegt. In Wahrheit wurden die Geldscheine auf dem Kiez in St.   Pauli »verschanzt«, also auf der Reeperbahn. Kurt Flasch, Beamter der Landeszentralbank und Staves Nachbar, ist jedoch eine fiktive Figur.
    Die im Roman genannte Radiorede von Bürgermeister Max Brauer ist hingegen authentisch, ebenso sind es die Bedingungen für den Geldumtausch von Reichsmark zu Deutscher Mark.
    Das massive Gebäude der Landeszentralbank steht heute noch neben dem Rathaus und wird viel besucht, allerdings von Kunstfreunden. Das Bucerius Kunst Forum ist heute dort untergebracht. Das wuchtige Mauerwerk des einstigen Geldhauses ist gut zu erkennen. Und wer auf dem Rathausmarkt steht und nach oben sieht, erblickt im Giebel des Gebäudes immer noch fünf massige Steinfiguren, ein Wappen und die Aufschrift »Reichsbank«.
    Die Geschichte jener Kunstwerke, die in der Weimarer Republik geschaffen und von den Nationalsozialisten als »entartet« diffamiert, aber als Requisiten in Filmen verwendet wurden, ist für diesen Kriminalroman adaptiert worden. Mindestens fünfzehn expressionistische Objekte der zwanziger Jahre sind bei Bauarbeiten tatsächlich gefunden worden, beschädigt, erdverkrustet, zerbeult. Allerdings ist diese Zufallsentdeckung nicht in Hamburg gemacht worden, sondern in Berlin – und dort erst im Jahr 2010.
    Das Museum für Kunst und Gewerbe der Hansestadt hat diese Werke 2012 ausgestellt, und durchaus auch mit einer gewissen lokalen Berechtigung. Jener Bronzekopf der Schauspielerin Anni Mewes etwa wurde nicht vom fiktiven Meister Toni Weber (dessen Namen – aber nicht dessen Biografie – ich von einem Amateurmaler entliehen habe, der 1947 mit anderen Laien eine Ausstellung im Kaufhaus C & A beschickte) geschaffen, sondern zwischen 1917 und 1921 von Edwin Scharff. Der Künstler wirkte nach 1945 in seinem letzten Lebensjahrzehnt in Hamburg.
    Der Propagandafilm, in dem manche dieser beschlagnahmten und anschließend vom NS-Propagandaministerium als Requisiten
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