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Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Cay Rademacher
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»ausgeliehenen« Kunstwerke verwendet wurden, war »Venus vor Gericht«. Der Regisseur Veit Harlan hat viele wirkmächtige Filme für das NS-Regime geschaffen, diesen jedoch nicht. In Wahrheit war Hans H. Zerlett für Drehbuch und Regie verantwortlich. Harlan lebte jedoch seit 1945 mit seiner schwedischen Frau Kristina Söderbaum unter den beschriebenen Umständen an der Alster und verteidigte sich, ähnlich wie hier beschrieben, vor Gericht wie in der Öffentlichkeit gegen Vorwürfe, er sei Propagandist der Nationalsozialisten gewesen.
    Die Geschichte des sammelnden Bankiers Doktor Schramm und seiner tragischen Verstrickung nach einer Bombennacht 1943 ist hingegen ohne reales Vorbild.
    Bedauerlicherweise äußerst real sind die milden Strafen oder gar Freisprüche, die führende NS-Täter bereits kurz nach Kriegsende erwarten konnten: Hamburgs Gauleiter Karl Kaufmann, politisch unter anderem für das KZ Neuengamme verantwortlich, verbrachte bis Anfang der fünfziger Jahre einige Zeit in diversen Internierungs- und Haftanstalten, musste jedoch nie längere Zeit einsitzen. Ab Mitte der fünfziger Jahre lebte er als angesehener Bürger und Teilhaber eines Versicherungsunternehmens und einer chemischen Fabrik in Hamburg. Der NS-Bürgermeister Carl Vincent Krogmann kam mit einer kurzen Internierungshaft davon, er arbeitete später ebenfalls unbehelligt in Industrie und Handel. Das Verfahren gegen den Kapitän zur See Rudolf Petersen, der noch nach der Kapitulation des NS-Regimes Matrosen erschießen ließ, das in diesem Roman Staatsanwalt Ehrlich führt, wurde 1948 tatsächlich angestrengt – und endete mit Freispruch.
    Wer penibel recherchiert, der mag mir einige dichterische Freiheiten verzeihen. Die Wasserpumpe auf dem Rathausmarkt etwa, gegen die sich Oberinspektor Stave lehnt, wurde erst 1950 gegossen. Die beschriebene Schmuck- und Silberversteigerung durch den Auktionator Herbert Nattenheimer im Winterhuder Fährhaus fand schon im Oktober 1947 statt, nicht im Frühjahr 1948. George Orwells »Animal Farm« wurde als »Wie die Tiere« im Juli und nicht im Juni 1948 vom NWDR im Nachtprogramm als Hörspiel gebracht. Die anonyme Anzeige, die Stave beim Chefamt S lesen muss, ist in Inhalt und Rechtschreibung authentisch, der darin angeschwärzte Fuhrunternehmer ist jedoch eine Erfindung. Das Casino in Travemünde erhielt erst 1949 wieder eine Lizenz.
    Manche Schauplätze sind, das ist nicht überraschend, heute spurlos verschwunden. Von den Ley-Hütten an der Langenhorner Chaussee etwa ist nichts mehr geblieben. Das Haus Lerchenstraße 23 mit der elenden Wohnung existiert nicht mehr, das ehemalige Schillertheater gegenüber als bis heute verfallendes Monument hingegen schon. Die Ohlendorff’sche Villa mit ihrem Park steht auch heute noch in Volksdorf. (Sie war tatsächlich ein britischer Offiziersclub und, ja, mindestens einmal galoppierte ein Gentleman hoch zu Ross in das Anwesen.) Der jüdische Friedhof in Jenfeld ist erhalten, ein nahezu unbeachtetes Zeugnis einer beinahe untergegangenen Kultur.
    Der Reimershof ist, nach schweren Kriegsschäden, wieder aufgebaut worden. Man hat einen guten Blick auf das Kontorhaus, wenn man sich auf den bombenzernarbten Turm von Sankt Nikolai begibt – was heute in einem gläsernen Aufzug möglich ist, ganz ohne Lebensgefahr.
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