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Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Cay Rademacher
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wirklich nur zum Schweigen bringen. Wollte, dass er zur Besinnung kommt. Wie eine Ohrfeige, die man einer Hysterikerin verpasst, verstehen Sie?«
    »Aber es war keine Ohrfeige.«
    »Ich konnte hören, wie der Knochen brach«, gesteht Schramm. »Noch in der Sekunde, als ich zuschlug, habe ich es schon bereut. Zu spät. Rosenthal verdrehte die Augen und stürzte nach hinten über, wie vom Blitz getroffen. Plötzlich war überall Blut. Seine Beine haben unkontrolliert gezuckt, er hat mit seinen Schuhen den schweren Schreibtischstuhl umgestoßen, dann waren seine Füße schrecklich ruhig. Ich bin hinausgerannt, entsetzt von mir selbst.«
    »Sind Sie noch einmal zurückgekehrt?« Stave ist jetzt so nah, dass er sein Gegenüber mit einer schnellen Bewegung greifen könnte. Doch er wagt es nicht, den Arm zu heben. Was, wenn Schramm springt, nachdem er ihn gepackt hat – und ihn mit in die Tiefe reißt? Er kann sich nirgendwo festhalten.
    »In der darauffolgenden Nacht gab es den nächsten Angriff. Als ich mich danach wieder zum Reimershof gewagt habe, war dessen Inneres endgültig zerstört. Keine Spur mehr von meinen Büros, von meinen Kunstwerken – und von Rosenthal. Alles war unter Trümmern begraben. Ich bin nach Hause gegangen und habe versucht, die Sache zu vergessen. Nach und nach kam sie mir vor wie ein Alptraum, wie etwas Irreales. Das war nicht ich, der das getan hatte. Da war überhaupt nichts geschehen. Es ist erstaunlich, was der Mensch alles verdrängen kann, wenn er es sich nur lange genug einredet.«
    »Aber irgendwann bin ich bei Ihnen aufgekreuzt und habe Ihnen ein Foto des Bronzekopfes vor Augen gehalten.«
    »Und dann kam alles wieder. Die Erinnerung. Die Angst vor Entdeckung. Jetzt wühlen sie in den alten Sachen, dachte ich. Als Sie gegangen waren, musste ich nur ein paar Anrufe tätigen, dann wusste ich, dass man im Reimershof auch Rosenthals Leiche gefunden hatte. Ausgerechnet Dönnecke bearbeitete den Fall!«
    »Aber er hat sich doch nie bei Ihnen gemeldet. Er hat überhaupt nicht richtig ermittelt. Er fürchtete sich mindestens so sehr vor Ihnen wie Sie sich vor ihm.«
    »Sie fürchteten sich aber nicht vor mir. Nach und nach habe ich zwar geahnt, dass niemand von der Mordkommission sich für die Leiche interessiert, weil mich keiner von diesen Beamten je verhören wollte. Aber da war es zu spät: Sie waren da. Und die Erinnerungen waren wieder da. Und die Scham über das, was ich getan habe.«
    »Ich war Ihnen auf der Spur. Aber ich hätte es Ihnen nie nachweisen können.«
    »Das können Sie auch jetzt nicht. Das ist kein Verhör. Sie haben keinen Beweis, dass ich das alles je erzählt habe.«
    Stave denkt einen Augenblick fieberhaft nach, ob er es mit einem Bluff versuchen soll, entscheidet sich jedoch fast sofort für die Wahrheit. »Das stimmt«, gibt er zu. »Ich habe nichts in der Hand gegen Sie.«
    Schramm lächelt in schwachem Triumph. »Auch die Burschen von der Gestapo haben es nie geschafft, mich festzunageln«, flüstert er. »Aber dem eigenen Gewissen macht man nichts vor. Man entkommt seinen Erinnerungen letztlich niemals. Seit Ihrem Besuch muss ich wieder an Rosenthal denken. In meinen Träumen höre ich wieder sein Flehen, damals, in der Ruine. Ich habe ihn auf dem Gewissen, es hilft nichts, sich etwas anderes einzureden. Und dann muss man die Konsequenzen ziehen.«
    Der Oberinspektor sieht sich noch einmal verzweifelt nach irgendetwas um, an das er sich klammern könnte. Nichts. »Wenn Sie jetzt springen, dann kann ich Sie nicht festhalten«, gesteht er. Er will beschwörend klingen, doch seine Worte kommen bloß gepresst hervor. Dann packt er mit der Rechten Schramms Mantel. »Wenn Sie jetzt springen, reißen Sie mich mit in die Tiefe.«
    Der Bankier blickt ihn zornig an. »Machen Sie sich nicht lächerlich! Lassen Sie mich los. Ob ich jetzt springe oder später unter dem Fallbeil lande, das kann Ihnen doch einerlei sein. Sie haben die Lösung Ihres Falles. Ich habe endlich meine Ruhe.«
    Staves Gedanken rasen. Dönnecke. Der Gestapo-Agent im Café. Der Nazi-Bürgermeister am gedeckten Tisch. Niemand von denen hat auch nur einmal schlecht geträumt. So viele Tote. Keine Strafe. »Sie sind einer von den Guten!«, stößt er hervor, weil ihm kein anderes Wort einfallen will. »Gehen Sie nicht«, fleht er. »Sie haben die Gestapo abgewehrt. Sie haben Juden geschützt. Sie haben Kunstwerke gerettet. Die Nazis haben Sie nicht zerstören können. Wollen Sie, dass die jetzt
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