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Der Experte: Thriller (German Edition)

Der Experte: Thriller (German Edition)

Titel: Der Experte: Thriller (German Edition)
Autoren: Mark Allen Smith
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ihn an und stellten unbeantwortbare Fragen.
    Drinnen summte die Klingel. Harry beugte sich über das Gelände und blickte nach unten. Der Lieferbote stand vor der Tür. Harry erhob sich ächzend und stieg durch das Fenster ins Wohnzimmer, ging zur Wohnungstür und drückte die Taste der Gegensprechanlage.
    »Sind Sie das, Cheng?«
    »Ja, Mr. Jones, Sir.«
    Er drückte auf den Knopf. Er war zu dem Schluss gekommen, dass Chaos billig war. Die Götter lagerten es im Überfluss und schleuderten es bei jeder Gelegenheit auf die Erde. Er lebte von dem Bargeld in seinem Safe bei der Citibank, war von Pepcids abhängig, kämpfte gegen einen Rückfall in seine Trunksucht aus der Zeit, bevor er Geiger kennengelernt hatte, und seit dem Massaker am Unabhängigkeitstag war er nicht mehr in seiner geliebten Zuflucht gewesen, seinem Apartment in Brooklyn Heights. Besonders weit hergeholt erschien es nicht, dass es in der Datenbank irgendeines Obermackers, der Eis statt Blut in den Adern hatte und bei der CIA oder NSA oder einem anderen tödlichen Dreibuchstabenkader arbeitete, eine Akte mit Harrys Namen und Adresse gab. Er konnte die saftigen Bäume vor sich sehen, die seine alte Straße säumten und ihre dichten Schatten warfen, und er stellte sich sofort vor, wie sich jemand unter ihnen verbarg, auf sein Fenster im ersten Stock starrte und auf seine Rückkehr wartete.
    Er sehnte sich nach Gesellschaft. Zu Anfang hatte er überlegt, sich Arbeit zu suchen, sich ins Fadenkreuz des öffentlichen Auges zu begeben, nur um ein wenig Zeit mit anderen Menschen verbringen zu können, aber dann hatte er sich das Vorstellungsgespräch ausgemalt, in dem er jemandem gegenübersaß, der seinen Lebenslauf durchging.
    »Sie haben einen B. A. vom CCNY, 1989 – überragende Programmierkenntnisse –; von 1991 bis 1997 haben Sie als Reporter für die New York Times gearbeitet, dann von 1997 bis 2001 in der Abteilung für Todesanzeigen. Sehr beeindruckend, Mr. Jones. Sind Sie seither beschäftigt gewesen?« Dann könnte Harry nur antworten: »Nun, durchaus. Ich war Partner in einem sehr erfolgreichen Start-up. IR.«
    »IR? Dieses Geschäftsfeld ist mir unbekannt.«
    » Information Retrieval. Informationsabruf. Unser Anfangskapital hatten wir von Carmine Delanotte, einem Mafiaboss. Ich war der Geschäftsführer für den größten Folterexperten der Welt. Also was ist … krieg ich den Job jetzt?«
    Harry kratzte sich am Bart – er hatte ihn zur Tarnung wachsen lassen, aber er hasste es, wie er juckte – und blickte sich mürrisch im Zimmer um: die krummen Wände, der Ost-West-Riss in der Decke, der mager gepolsterte Cordsessel, der Klapptisch mit seinem MacBook, der zerbeulte Minikühlschrank von Sears und der fleckige Zweiplattenkocher unbekannter Herkunft.
    »Beschissen weit weg von Brooklyn Heights, Harry.«
    Selbstgespräche waren noch so eine neue Gewohnheit. Er vermisste es, mit jemandem zu sprechen, denn gehört zu werden bedeutete, bekannt zu sein. Vor allem aber vermisste er Geiger; ihre Frühstücke im Diner zwei bis drei Mal die Woche, ihre gemeinsame obsessive Detailversessenheit, die unirdische Ruhe dieses Mannes, seine Undurchschaubarkeit bis zum Ende. Geiger war jemand, der sich genial darauf verstand, durch Folter Wahrheiten herauszubekommen, der aber zugleich sein Leben gab, um ein Kind zu retten, das er kaum kannte.
    Elf Jahre.
    Was sie getan hatten, ließ ihn nie los. Die Liste derjenigen, die gelitten hatten, war lang. Dass die meisten von ihnen einem Katalog der sieben Todsünden hätten entstiegen sein können und dass Geiger nie jemanden umgebracht hatte – diese Tatsachen waren nur ein schwacher Balsam auf Harrys Beschämung.
    Dennoch: Hätte ihn jemand gefragt, hätte er nicht bestritten, dass er das Ritual ihrer Arbeit schmerzlich vermisste. Der Torhüter für jene zu sein, die nach Geigers Gaben verlangten. Seine eigenen einzigartigen Fertigkeiten zu nutzen, um die Dossiers über die potenziellen Klienten und Zielpersonen vorzubereiten; die dunklen Gassen des Internets auf der Suche nach Lebensfetzen zu durchstreifen und sie dann zusammenzuflicken, sodass Geiger sich ein detailliertes Bild machen konnte, mit wem er es zu tun hatte, ehe er einen Job annahm; auszuhandeln, welcher Preis sich an einem gegebenen Tag bei dem Klienten für die Wahrheit erzielen ließ; Protokolle zu den Sitzungs-DVDs zu erstellen und dabei so oft wie möglich wegzublicken, während er tippte; und seine fünfundzwanzig Prozent zu
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