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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner
Autoren: Carre
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geht voran, nun ja, wer sonst. Mit ihrem majestätischen, britischen Gang und diesen energischen Ellbogen läuft sie uns noch allen davon. Pellegrin nörgelt, auch das ist normal. Seine Frau Celly beschwert sich über die Hitze, wie könnte es anders sein. Rosie Coleridge, auf dem Rücken ihres Vaters, singt ein Liedchen für Tessa – wie haben wir bloß alle auf dieses Boot gepasst?
    Mickie war stehen geblieben, eine Hand auf Justins Arm, Abraham dicht hinter ihm.
    »Dies ist die Stelle, an der Ihre Frau gestorben ist, Sir«, sagte Mickie sanft.
    Aber das hätte er sich sparen können, denn Justin wusste es bereits – auch wenn er nicht wusste, woraus Mickie geschlossen hatte, dass er Tessas Mann war, aber vielleicht hatte er ihm das im Schlaf verraten. Justin hatte diesen Ort auf Fotos gesehen, während der düsteren Zeit im Untergeschoss, und in seinen Träumen. Dort war etwas, das wie ein ausgetrocknetes Flussbett aussah. Drüben das traurige Häuflein Steine, das Ghita und ihre Freunde aufgeschichtet hatten. Darum herum – eine Schande – der Müll, der heutzutage unausweichlich zu jedem von den Medien begleiteten Ereignis gehört: weggeworfene Filmkassetten und Dosen, Zigarettenschachteln, Plastikflaschen und Pappteller. Weiter oben – etwa dreißig Meter den weißen Felshang hinauf – verlief die unbefestigte Straße, auf der der große Safarijeep seitlich an Tessas Jeep herangefahren war und ihm ein Rad zerschossen hatte, worauf der Wagen den Hang hinuntergerutscht war – und Tessas Mörder hinterher, bewaffnet mit Buschmessern und Gewehren und was sie sonst noch dabei hatten. Und da drüben – Mickie zeigte es ihnen stumm mit seinem knotigen, alten Finger – die blauen Lackspuren, die der von der Oase geliehene Jeep auf dem Fels hinterlassen hatte, als er in das Flussbett schlitterte. Und anders als das schwarze, vulkanische Gestein in der Umgebung war der Fels dort weiß wie ein Grabstein. Und die braunen Flecken darauf waren vielleicht wirklich Blut, wie Mickie andeutete. Aber als Justin sie näher betrachtete, meinte er, es könnten ebenso gut Flechten sein. Ansonsten bemerkte er wenig, was den aufmerksamen Gärtner hätte interessieren können, abgesehen von gelbem Straußgras und einer Reihe Dumpalmen, die wie üblich so aussahen, als wären sie von der Gemeindeverwaltung gepflanzt worden. Ein paar Wolfsmilchgewächse – natürlich, die gab es überall –, die zwischen schwarzen Basaltblöcken ein kümmerliches Dasein fristeten. Und ein gespenstisch weißer Myrrhenbaum – wann tragen die eigentlich mal Blätter? –, die dürren Äste seitlich ausgebreitet wie die Flügel einer Motte. Justin wählte einen Basaltblock aus und setzte sich. Er fühlte sich benommen, konnte aber noch klar denken. Mickie reichte ihm eine Wasserflasche, Justin nahm einen Schluck, schraubte den Deckel zu und stellte die Flasche vor sich hin.
    »Ich möchte eine Weile allein sein, Mickie«, sagte er. »Wie wär’s, wenn Sie mit Abraham zum Angeln rausfahren würden? Sobald ich hier fertig bin, komme ich ans Ufer und rufe Sie zurück.«
    »Wir würden lieber beim Boot auf Sie warten, Sir.«
    »Warum nicht angeln?«
    »Wir würden lieber hier bei Ihnen bleiben. Sie haben Fieber.«
    »Das geht schon zurück. Nur ein paar Stunden.« Er sah auf die Uhr. Es war vier Uhr nachmittags. »Wann setzt die Dämmerung ein?«
    »Gegen sieben, Sir.«
    »Gut. Wenn es dämmert, können Sie mich abholen. Falls ich was brauche, melde ich mich.« Und noch entschiedener: »Ich möchte allein sein, Mickie. Deswegen bin ich hierher gekommen.«
    »Ja, Sir.«
    Er hörte sie nicht gehen. Eine Zeit lang vernahm er überhaupt keine Geräusche, außer dem Klatschen des Sees am Ufer und dem gelegentlichen Tuckern eines Fischerboots. Er hörte das Jaulen eines Schakals und lautes Gezänk einer Geierfamilie, die unten am Seeufer eine Dumpalme besetzt hielt. Und er hörte Tessa, die ihm sagte, wenn sie alles noch einmal machen müsste, wäre Afrika noch immer der Ort, an dem sie sterben wollte, im Kampf gegen großes Unrecht. Er trank etwas Wasser, stand auf, streckte sich und ging zu dem Fels mit den Lackspuren, weil er wusste, dort war er ihr näher. Das konnte er sich leicht ausrechnen. Wenn er die Hand auf die Spuren legte, war er knapp einen halben Meter von ihr entfernt, die Dicke der Wagentür abgerechnet. Oder vielleicht doppelt so weit, falls sich Arnold dazwischen befand. Es gelang ihm sogar, ein bisschen mit ihr darüber zu lachen,
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