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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner
Autoren: Carre
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anonym zu bleiben. Irgendein dahergelaufener Anwalt italienischer Herkunft – obendrein ein Verwandter der getöteten Frau – hatte unter großzügiger Verwendung der Finanzmittel seines verstorbenen Klienten die Dienste eines professionellen Unruhestifters in Anspruch genommen, der sich hinter der Maske eines PR-Agenten verbarg. Derselbe unselige Anwalt hatte sich zudem mit einigen hitzigen, für ihre Streitsucht bekannten Londoner Anwälten zusammengetan. Die Kanzlei Oakey, Oakey & Farmeloe, Vertreterin des ungenannten Konzerns, beanstandete die Verwendung von Klientengeldern für diesen Zweck, jedoch ohne Erfolg, und musste sich damit zufrieden geben, jeder Zeitung, die es wagte, die Geschichte aufzugreifen, mit gerichtlichen Schritten zu drohen.
    Manche taten es trotzdem, und die Gerüchte hielten sich. Scotland Yard, mit der Prüfung des Materials betraut, ließ öffentlich verlauten, die Vorwürfe seien »aus der Luft gegriffen« und die ganze Sache »ein bisschen traurig« und lehnte es ab, die Unterlagen an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. Doch die Anwälte des toten Ehepaares, weit davon entfernt, das Handtuch zu werfen, wandten sich ans Parlament. Ein schottischer Abgeordneter, ebenfalls Anwalt, wurde gewonnen und brachte eine harmlose parlamentarische Anfrage an den Außenminister ein, bei der es um die allgemeine Gesundheitssituation auf dem afrikanischen Kontinent ging. Der Außenminister erledigte sie mit gewohnter Schlagfertigkeit, nur um dann bei einer Zusatzfrage, die den Finger schonungslos in die Wunde legte, arg ins Schwimmen zu geraten.
     
    F: Hat der Außenminister Kenntnis von irgendwelchen Schriftsätzen, die in den vergangenen zwölf Monaten seitens der tragisch ermordeten Tessa Quayle bei seinem Ministerium eingegangen sind?
    A: Diese Frage kann ich so aus dem Stegreif nicht beantworten.
    F: Soll ich das als »Nein« werten?
    A: Ich habe keine Kenntnis von derartigen Schriftsätzen, die zu ihren Lebzeiten eingegangen sein sollen.
    F: Dann hat sie Ihnen vielleicht posthum geschrieben? (Gelächter)
     
    In dem darauf folgenden schriftlichen und mündlichen Schlagabtausch bestritt der Außenminister zunächst jegliche Kenntnis der Dokumente, dann behauptete er, sie seien in Anbetracht eines schwebenden juristischen Verfahrens nicht für die Öffentlichkeit geeignet. Nach »weiteren ausgedehnten und kostspieligen Recherchen« gab er schließlich an, die Dokumente »entdeckt« zu haben, erklärte jedoch sogleich, sie seien mit aller Aufmerksamkeit, die sie damals oder heute »im Hinblick auf den gestörten Geisteszustand der Verfasserin« verdient hätten, geprüft worden. Unvorsichtigerweise fügte er hinzu, man habe die Dokumente als geheim eingestuft.
     
    F: Werden Eingaben geistesgestörter Personen vom Außenministerium regelmäßig als geheim eingestuft? (Gelächter)
    A : In Fällen, in denen solche Eingaben unbeteiligte Dritte in Verlegenheit bringen könnten: Ja.
    F: Vielleicht auch das Außenministerium?
    A: Ich denke an den unnötigen Schmerz, der der Verwandtschaft der Verstorbenen zugefügt werden könnte.
    F: Dann seien Sie beruhigt. Mrs Quayle hatte keine Verwandten.
    A: Das sind jedoch nicht die einzigen Interessen, die ich zu berücksichtigen habe.
    F: Danke. Ich glaube, das ist die Antwort, die ich hören wollte.
     
    Am folgenden Tag wurde beim Außenministerium ein förmliches Gesuch auf Herausgabe der Quayle-Dokumente gestellt, das durch einen Antrag an das oberste Gericht untermauert wurde. Gleichzeitig und gewiss nicht zufällig leiteten Anwälte der Freunde und Angehörigen des verstorbenen Dr. Arnold Bluhm in Brüssel eine Initiative mit ähnlicher Stoßrichtung ein. Während der Voruntersuchung erschien vor dem Brüsseler Justizpalast eine multikulturelle Gruppe von Querulanten, die in symbolischen weißen Kitteln demonstrierten und Transparente mit dem Slogan »Nous accusons« vor den Fernsehkameras schwenkten. Die Störung wurde rasch behoben. Die Anwälte der Gegenseite sorgten mit einer Flut von Anträgen dafür, dass der Fall sich über Jahre hinziehen würde. Immerhin war jetzt allgemein bekannt, dass es sich bei dem fraglichen Konzern um keinen anderen als Karel Vita Hudson handelte.
    * **
    »Die Bergkette da vor uns heißt Lokomorinyang«, erklärt Captain McKenzie Justin über Bordfunk. »Gold und Öl. Kenia und der Sudan kämpfen seit über hundert Jahren darum. Alten Landkarten zufolge gehört das Gebiet zum Sudan, neue schreiben es Kenia zu. Nehme
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