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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner
Autoren: Carre
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welche Mühe er immer gehabt hatte, sie zu überreden, den Gurt anzulegen. Auf den holprigen Straßen Afrikas, hatte sie mit der für sie typischen Sturheit erklärt, sei man unangeschnallt besser dran: Da könne man sich im Wagen wenigstens frei bewegen und werde nicht wie ein Sack Kartoffeln bei jedem verdammten Schlagloch hin und her geworfen. Dann verließ er die Lackspuren, stieg in das ausgetrocknete Flussbett hinunter, betrachtete die Stelle, wo der Jeep zur Ruhe gekommen war, und malte sich aus, wie der arme Arnold bewusstlos aus dem Wagen gezerrt und an den Ort seiner bewusst in die Länge gezogenen, entsetzlichen Hinrichtung verschleppt wurde.
    Dann kehrte Justin, ganz der methodische Mensch, zu dem Felsblock zurück, den er sich zuvor als Sitzplatz ausgewählt hatte, ließ sich wieder darauf nieder und widmete sich der Betrachtung einer kleinen, blauen Blume, die dem Phlox ähnelte, den er im Vorgarten ihres Hauses in Nairobi gepflanzt hatte. Nur war er sich ganz und gar nicht sicher, ob die Blume tatsächlich an die Stelle gehörte, wo er sie sah, oder ob er sie in Gedanken aus Nairobi oder, wenn er’s genau bedachte, von den Wiesen in der Umgebung seines Hotels im Engadin hierher verpflanzt hatte. Sein botanisches Interesse freilich hatte nachgelassen. Ihm stand nicht mehr der Sinn danach, das Image des netten Burschen zu kultivieren, dessen Leidenschaft nichts anderem galt als Phlox, Astern, Freesien und Gardenien. Und er dachte immer noch über diesen Wandel in seinem Wesen nach, als er vom Ufer her das Geräusch eines Motors hörte, zunächst den kleinen Knall, mit dem er ansprang, dann das regelmäßige Tuckern, mit dem sich das Boot entfernte. Nun fährt Mickie also doch zum Fischen hinaus, dachte Justin; für den wahren Angler stellen die in der Dämmerung an die Oberfläche kommenden Fische eine unwiderstehliche Versuchung dar. Und das erinnerte ihn daran, wie er Tessa immer hatte überreden müssen, mit ihm angeln zu gehen, und wie sie bei diesen Ausflügen zwar nie etwas gefangen, es aber jedes Mal am Ende wild miteinander getrieben hatten – womöglich der einzige Grund, weshalb er sie so gern dazu überredet hatte. Und während er noch belustigt über die Logistik des Liebesspiels auf dem Boden eines kleinen Bootes nachsann, kam ihm plötzlich der Gedanke, dass das mit Mickies Fischfang nicht stimmen konnte.
    Mickie tat so was nicht, änderte nicht einfach seine Pläne, er gab nicht einfach irgendeiner Laune nach.
    Das sah Mickie überhaupt nicht ähnlich.
    Man brauchte ihm nur einmal zu begegnen – Tessa hatte dasselbe gesagt-, und schon wusste man, dass er der geborene Hausdiener war, und das war wohl auch der Grund, weshalb man ihn zugegebenermaßen so leicht mit Mustafa verwechseln konnte.
    Also war Mickie nicht zum Angeln auf den See hinausgefahren.
    Aber weg war er. Ob er den unausstehlichen Abraham mitgenommen hatte, war eine müßige Frage. Mickie war jedenfalls weg, und auch das Boot war weg. Über den See zurückgefahren – das Geräusch des Bootsmotors eben war schwächer und schwächer geworden.
    Und warum war er verschwunden? Wer hatte ihm gesagt , dass er wegfahren sollte? Ihn dafür bezahlt? Ihm befohlen , zu verschwinden? Ihn mit Drohungen dazu bewegt? Was hatte Mickie gehört, über das Funkgerät im Boot oder von jemandem auf einem anderen Boot oder am Ufer – was hatte den alten Mann mit dem guten Gesicht dazu gebracht, einen Posten, den zu halten er bezahlt wurde, zu verlassen? Hatte Markus Lorbeer, der zwanghafte Judas, bei seinen Freunden in der Industrie doch erneut eine Lebensversicherung abgeschlossen? Justin grübelte noch über diese Möglichkeit, als er einen anderen Motor hörte, diesmal vom Fahrweg her. Die Dämmerung hatte eingesetzt, die Lichtverhältnisse waren nicht mehr die besten, und so hätte er erwartet, dass ein Auto zumindest das Standlicht eingeschaltet hätte, aber dieses Fahrzeug – was auch immer es für eins war – fuhr ohne Licht, und das erschien ihm rätselhaft.
    Unter anderem dachte er – wahrscheinlich weil das Auto sich im Schneckentempo bewegte –, es sei Ham, der, wie üblich zehn Stundenkilometer langsamer als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit, zu ihm kam, um zu melden, Justins Briefe an die grimmige Tante in Mailand seien wohlbehalten eingegangen, und das von Tessa aufgedeckte Unrecht werde nun bald entsprechend ihrer oft geäußerten Meinung – man müsse das System zwingen, sich selbst von innen heraus zu bessern – wieder
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