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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt
Autoren: Katherine McLean
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Jun­ge spiel­te Flug­zeug und lief sum­mend und in Schlan­gen­li­ni­en mit aus­ge­streck­ten Ar­men über einen Hof. Sei­ne El­tern wa­ren im In­ne­ren des frem­den Hau­ses. Sie hat­ten das sil­ber­ne Flug­zeug­mo­dell, mit dem er sonst spiel­te, nicht mit­ge­nom­men.
    Das Kind hör­te auf zu sum­men und be­ob­ach­te­te ei­ne sil­ber­ne Ma­schi­ne, die am Him­mel kreis­te. Sei­ne Mut­ter hat­te ihn ge­be­ten und an­ge­fleht, da­mit auf­zu­hö­ren, den Leu­ten zu sa­gen, was sie tun soll­ten. Aber sie wünsch­te sich, daß er spiel­te und glück­lich war, so­lan­ge sie sich in die­sem Haus auf­hielt. Wenn er ein sil­ber­nes Flug­zeug zum An­fas­sen ge­habt hät­te, wä­re er glück­lich ge­we­sen.
    „Fluch­ßeuch“, sag­te sei­ne piep­si­ge, kind­li­che Stim­me. „Fluch­ßeuch, komm’ run­ter.“ Dann rann­te er wei­ter um­her und summ­te und stell­te sich vor, daß er die Kon­trol­len der Ma­schi­ne mit Hän­den und Fü­ßen be­ar­bei­te­te. Es war al­les sehr echt und er kam sich vor wie ein rich­ti­ger Pi­lot. „Der Hof da ist zu klein , um auf ihm zu lan­den“, sag­te der wirk­li­che Pi­lot oben am Him­mel, und so mach­te der Jun­ge ihn glau­ben, daß es hier un­ten einen großen Lan­de­platz gab – wie in ei­nem Film; ein Platz, auf dem Flug­zeu­ge lan­den konn­ten. „Komm’ run­ter, Fluch­ßeuch. Lan­de hier … hier …“
    Es wur­de grö­ßer. Es wur­de sehr groß, grö­ßer, zu groß. Und es wuchs im­mer noch. Ich streck­te die Ar­me aus, um es weg­zu­sto­ßen. Große, sil­ber­ne Trag­flä­chen jag­ten brül­lend über mir da­hin, und dann hör­te ich ein don­nern­des Krei­schen und wie et­was zer­riß – wie bei ei­nem Au­to­un­fall. Ich spür­te, wie mei­ne El­tern in dem Haus auf­schreck­ten. Dann ver­stumm­ten ih­re be­sorg­ten Ge­dan­ken – für im­mer.
    Ich rann­te auf das Haus zu und sah, wie ei­ne der Sei­ten­wän­de lang­sam nach au­ßen kipp­te und es Zie­gel­stei­ne reg­ne­te. Ei­ne Ba­de­wan­ne kam mit zer­knick­tem Ab­fluß­rohr wie in Zeit­lu­pe durch die Luft ge­flo­gen und krach­te zu Bo­den. Es gab einen lau­ten Knall.
    Ich hör­te auf zu ren­nen und stand still. Ren­nen nütz­te jetzt nichts mehr. Ich konn­te auch nichts mehr tun. Ich hat­te es ge­tan. Ich konn­te noch Schlim­me­res tun.
    Si­re­nen. Men­schen. Schreie.
    Er­wach­se­ne, die sich her­un­ter­beu­gen, bis ih­re Ge­sich­ter ganz na­he sind. „Wie heißt du, Klei­ner?“
    „Hast du in dem Haus ge­wohnt?“
    „Wo sind dei­ne El­tern?“
    „Mei­ne El­tern wa­ren zu Be­such hier. Ich woh­ne nicht hier. Ich ha­be kei­nen Na­men. Laßt mich in Ru­he. Ich ha­be es nicht ge­tan. Ich bin nicht ich.“
    „Na­tür­lich hast du es nicht ge­tan. Wie heißt du denn?“
    Ich bin nicht ich.
    „Wie heißt du denn?“
    Sag’ ich nicht. Ich hab’ kei­nen Na­men.
    Voll­stän­di­ger Na­me bit­te. Fa­mi­li­enna­me zu­erst, dann ers­ter und zwei­ter Vor­na­me. Jah­re­lan­ges Aus­fül­len von For­mu­la­ren.
    Warum fra­gen sie nur im­mer? Warum kann ich nicht ant­wor­ten?
    (Schock.) SIL­BER­HEL­LE TRAG­FLÄ­CHEN FLUG­ZEUG KOMM’ RUN­TER HELL­GLÄN­ZEND HELL­GLÄN­ZEND WEG KEIN GLANZ MEHR NICHTS! Weg, auf­ge­löst. Ich kann ant­wor­ten. Wer bist du?
    Mein Na­me ist Ralph Ge­or­ge Eric­son. Mein Va­ter heißt Ral­phie, und mei­ne Mut­ter nennt mich Klein-Ge­or­ge. Ich woh­ne Al­to­na Bou­le­vard Num­mer 1257. Das war be­vor ich fünf wur­de. Da­nach wohn­te ich in Wai­sen­häu­sern und bei Pfle­ge­el­tern in New York Ci­ty. Man gab mir den Na­men Ge­or­ge San­ford, weil ich nie­man­dem mei­nen rich­ti­gen Na­men sa­gen woll­te. Ich hab’ sie da­zu ge­bracht, al­le For­mu­la­re für mich aus­zu­fül­len und für mich zu schrei­ben. Aber sonst ha­be ich nie­man­den um ir­gend et­was ge­be­ten. Ich tat, was sie woll­ten.
    Als ich fünf war, konn­te ich die Leu­te kom­man­die­ren. Ich hab’ ih­nen heim­lich Be­feh­le ge­ge­ben. Ich glau­be, ich kann es noch im­mer.
    Warum ich es nicht im­mer ge­macht ha­be? Aus ir­gend­ei­nem Grund, den ich bei­na­he ver­ges­sen ha­be. Ein sil­ber­nes Flug­zeug.
    Ich ver­such­te das sil­ber­ne Flug­zeug noch ein­mal durch mei­ne Er­in­ne­rung
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