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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt
Autoren: Katherine McLean
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graduierte und qualifizierte sich für eine gehobene Ausbildung. Die übrigen Mitglieder unserer Bande hatten alle ihre Erwachsenenrente bekommen und die Stadt verlassen. Außer Ahmed und mir. Und ich wußte, daß Ahmed die beste Spürnase der Rettungsbrigade geworden war.
    Das Armbandfunkgerät pfiff, und er hielt es sich ans Ohr. Die dünne Stimme rasselte Zahlen und statistische Begriffe herunter. Ahmed sah sich die an uns vorübergehenden Leute an. Er schien überrascht zu sein. Schließlich schenkte er mir einen respektvollen Blick. „Es ist ganz Manhattan. Frauen kommen mit eingebildeten Schwangerschaften in die Hospitäler. Wirklich schwangere Frauen werden eingeliefert, weil sie Alpträume haben. Männer bilden sich Geschwüre und Krebskrankheiten ein. Es gibt eine Menge Selbstmorde und noch mehr Bitten um Hilfe bei akuter Selbstmordgefährdung. Du hast recht. Die ganze Stadt ist aus dem Häuschen.“
    Er marschierte über die 42. Straße auf die Sixth Avenue zu und ging dabei sehr schnell. „Brauche zusätzliche Unterstützung. Versuche eine andere Methode.“ Ein Hängeschild, auf dem ZIGEUNER-TEESTUBE stand, gab bekannt, daß man hier orientalischen Tee, exotisches Gebäck bekam und sich die persönliche Zukunft aus der Hand lesen lassen konnte. Ahmed bahnte sich einen Weg durch die Schwingtür und eilte eine sich bewegende Rolltreppe hinauf, wobei er jedesmal zwei Stufen mit einem Schritt nahm. Ich war direkt hinter ihm. Wir kamen mitten in einem großen Restaurant heraus, das eine niedrige Decke hatte und mit kleinen Tischen und zierlichen Stühlen ausgestattet war.
    Vier alte Damen saßen um einen Tisch herum, knabberten Gebäck und unterhielten sich. Ein Geschäftsmann saß an einem Tisch in der Nähe des Fensters und las das Wall Street Journal. Die jüngeren Studenten saßen gegen eine Glasfensterwand gelehnt und sahen auf das Menschengewimmel der 42. Straße hinab. In einer Ecke saß eine dicke Frau an einem Tisch und hielt sich ein Magazin vor das Gesicht. Sie ließ es sinken und sah uns über den Rand hinweg an. Die vier alten Damen hörten auf zu reden, und der Geschäftsmann faltete das Wall Street Journal zusammen und legte es beiseite, als seien Ahmed und ich zwei Kuriere mit schlechten Nachrichten. Sie waren alle in einer miserablen, nervösen Stimmung; in der gleichen Stimmung, in der auch ich gewesen war. Sie erwarteten das Schlimmste.
    Ahmed schlängelte sich durch die Tischreihen auf den Ecktisch zu, an dem die dicke Frau saß. Sie legte das Magazin auf den Nebentisch, als wir auf sie zukamen. Sie hatte ein rundes Gesicht voller Lachfältchen. Sie nickte und lächelte mir zu, aber Ahmed nicht. Statt dessen sah sie ihm direkt in die Augen, als er vor ihr Platz nahm.
    Er beugte sich über den Tisch. „In Ordnung, Bessie, du fühlst es also auch. Hast du herausbekommen, wer es ist?“
    Die Frau antwortete mit leiser, aber fester Stimme, als fürchte sie sich, zu laut zu sprechen. „Gestern habe ich es eine Zeitlang gespürt, Ahmed. Ich habe versucht, die Teeblätter zu benutzen, um die Rettungsbrigade auf eine Spur zu bringen, aber sie spürte nur und dachte nicht. Heute – vor einer Stunde – wurde es laut und abscheulich, aber das Nachforschen und Verstärken in so vielen Leuten mit schlechter Laune, die ängstlich sind und sich alle paar Minuten andere Gründe ausdenken, warum sie sich so fühlen …“ Sie machte eine Pause, und ich wußte, was sie zu beschreiben versuchte. Wenn man es zu beschreiben versucht, wird es nur noch verwirrter. Man fühlt sich dann so … so … in einer Falle … sterbend, vergessen … verloren.
    Sie sprach nun noch leiser. Ihr rundes Gesicht drückte Besorgnis aus. „Das Gefühl eines schlechten Traums ist immer noch da, Ahmed. Ich frage mich, ob ich …“
    Sie wollte nicht darüber sprechen, aber Ahmed hatte den Mund zu einer Frage geöffnet. Die Frau tat mir leid, deswegen warf ich mich dazwischen, um ihn zu stoppen.
    „Was meinen Sie mit den Leuten? Wie kommt es, daß die Menge …“ Ich machte eine vage Bewegung mit der Hand und meinte damit die Stadt und die Menschen. Die Stadt war nicht verloren.
    Ahmed sah mich ungeduldig an. „Erwachsene wenden nicht gerne Telepathie an. Sie geben vor, es nicht zu können. Aber angenommen, ein Mann fallt in einen Aufzugschacht und bricht sich ein Bein. Niemand findet ihn, und er kann auch kein Telefon erreichen, so wird er verzweifeln, beten und anfangen, Geisteskräfte einzusetzen. Er wird versuchen,
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