Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der erste Weltkrieg

Der erste Weltkrieg

Titel: Der erste Weltkrieg
Autoren: Volker Berghahn
Vom Netzwerk:
Einleitungskapitels die sich wandelnden Hauptströmungen der internationalen Geschichtswissenschaft dargestellt werden, die sich nicht nur in dem hier vorgelegten Material spiegeln, sondern auch den Aufbau dieses Bandes erklären, der von einer strikten chronologischen Erzählung abweicht.
2. Eine Verlustrechnung
    Bei Beginn des Ersten Weltkriegs standen in den beiden zentraleuropäischen Monarchien, Deutschland und Österreich-Ungarn, 2,2 Millionen bzw. 810.000 ausgebildete Männer, die für einen großen Konflikt mobilisiert werden konnten. Das mit Frankreich verbündete Russland verfügte über 1,2 Millionen, die Franzosen über 1,25 Millionen. In England, das keine Wehrpflicht besaß, waren es 711.000. Italien, das ursprünglich mit Deutschland und Österreich-Ungarn verbündet war, aber bei Kriegsbeginn neutral blieb, ehe es 1915 gegen den zentraleuropäischen Zweibund antrat, brachte es auf 750.000 Mann.
    Das waren sicherlich beachtliche Zahlen. Wie weit die Totalisierung des Krieges dann bis 1918 voranschritt, zeigt sich an der Zahl der bis dahin insgesamt Eingezogenen:
Deutschland
11,0 Millionen
Österreich-Ungarn
6,5 Millionen
Osmanisches Reich
1,6 Millionen
Großbritannien (mit Empire)
7,4 Millionen
 
 
Frankreich (mit Empire)
7,5 Millionen
Russland
12,0 Millionen
Italien
5,5 Millionen
Vereinigte Staaten von Amerika
4,2 Millionen
    Für die insgesamt 9,4 Millionen, die unmittelbar in Kampfhandlungen umkamen, besitzen wir für England, Frankreich und Deutschland einigermaßen verlässliche Ziffern: 723.000 bzw. 1,32 Millionen bzw. 2,03 Millionen. Für Russland und Österreich-Ungarn ist die Zahl mit 1,81 Millionen bzw. 1,1 Millionen wahrscheinlich zu niedrig angesetzt, forderte doch der russische Bürgerkrieg, der der Revolution von 1917 folgte und bis 1921/22 tobte, über 900.000 Tote, während 6,8 Millionen verletzt oder krank wurden. Außerhalb Europas kamen allein in Indien durch die 1918 ausbrechende Grippe-Epidemie 6 Millionen Menschen ums Leben; in Afrika belief sich die Zahl einschließlich anderer Krankheiten auf über 1 Million.
    Zu den Weltkriegstoten müssen auch die vielen Vermissten gezählt werden, die oft in Kriegsgefangenschaft geraten waren, aber nicht zurückkehrten. An der Ostfront waren infolge des dortigen Bewegungskrieges die Kriegsgefangenenzahlen besonders hoch: 2,2 Millionen im Falle des Habsburger Reiches und 2,5 Millionen unter den Russen. Zwar bemühte sich die Zarenarmee anfangs noch um eine humane Behandlung der österreichisch-ungarischen Soldaten, die in ihre Hände fielen und z.T. in sibirische Lager transportiert wurden. Aber sowohl das dortige Klima als auch der bald das ganze Land betreffende Zusammenbruch der Lebensmittelversorgung trieben die Zahl der in den Lagern Verstorbenen in die Höhe, bis 1917 mit der Revolution schließlich das völlige Chaos ausbrach.
    Angesichts dieser Ziffern kann man sich ausmalen, wie viel Trauerarbeit in allen europäischen Ländern schon während des Krieges geleistet werden musste. In den zwanziger Jahren gab es kaum eine Familie, in der nicht ein Vater, Sohn, Onkel oder Neffe fehlte bzw. vermisst wurde. Aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges und auch des Vietnam-Konflikts wissen wir, dass es für Familien fast noch schwerer ist, mit einer Vermisstenmeldung fertig zu werden als mit der gefürchteten Todesnachricht, die wenigstens Gewissheit brachte.
    Infolge eines Rekrutierungssystems, das erst später abgeändert wurde, wurden in Großbritannien zu Beginn des Konfliktsmanche Regionen und Städte besonders schwer getroffen. Dort geschah es bei dem Aufruf, sich freiwillig zu melden, dass ganze Dörfer oder Straßenzüge in den Arbeitervierteln der nördlichen Industriestädte frohgemut nach Belgien oder Nordfrankreich zogen, um dann in einer der Höllenschlachten bei Ypern oder an der Somme gemeinsam den Tod zu finden. Besonders tief war auch die Trauer in den Oberschichten. Deren an den Eliteuniversitäten studierende Söhne hatten sich in großer Zahl als Freiwillige gemeldet und – anders als die oft unterernährten und kränklichen Freiwilligen aus den Slums der Industriegebiete – die Musterung ohne weiteres bestanden. So starben von den Unterzwanzigjährigen an den Universitäten von Oxford und Cambridge 23,7 bzw. 26,7 % im Vergleich zum Armeedurchschnitt von 16,2 %. Hier wirkte sich also ein Klassenunterschied anders aus, als auf den ersten Blick vielleicht zu erwarten. Diese Studenten waren die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher