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Der erste Weltkrieg

Der erste Weltkrieg

Titel: Der erste Weltkrieg
Autoren: Volker Berghahn
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nieder.
    Weniger kostspielig war der Seekrieg. Denn die teuren Schlachtschiffe, die sich der Zweibund seit der Jahrhundertwende zugelegt hatte, blieben, von einzelnen Gefechten und dem Kreuzerkrieg in Übersee abgesehen, weitgehend unversehrt im Hafen liegen. Sie waren zu schwach, um der Royal Navy die Stirn bieten zu können. Der Seekrieg verlegte sich auf Torpedierungen alliierter Handelsschiffe durch die Deutschen, die vor allem die Engländer erheblich schädigten. Sie verloren über neun Millionen Bruttoregistertonnen, gefolgt von den Norwegern mit 1,2 Millionen.
    Zudem brach der internationale Warenaustausch zusammen,der vor 1914 dazu beigetragen hatte, den Wohlstand aller europäischen Staaten so eindrucksvoll zu vermehren. Hier gehörte die Handelsnation Deutschland, deren Zugang zum Weltmarkt die Royal Navy bei Kriegsausbruch sofort blockierte, zu den Hauptleidtragenden. Noch 1913 hatte das Deutsche Reich Güter im Werte von 10.097 Mill. Mark exportiert. Der Importwert lag mit 10.750 Mill. sogar noch etwas höher. Im Kriege sanken diese Ziffern auf einen Bruchteil, da der Handel selbst durch das neutrale Holland durch die alliierte Blockade weitgehend eingeschränkt wurde und allenfalls der Weg nach Schweden mit seinen Erzvorkommen offen blieb. Erst im Jahre 1925 überschritten die deutschen Importwerte die von 1913 um 2400 Mill. Mark, während die Exporte mit 9284 Mill. Mark bezeichnenderweise unter dem Vorkriegsstand blieben.
    Diese Diskrepanz spiegelte sich auch in der deutschen Industrieproduktion, die bei den Investitionsgütern 1922 bei 70 % des Vorkriegswertes lag und infolge der Besetzung des Ruhrgebiets, des schwerindustriellen Herzens des Reiches, durch die Franzosen und Belgier im Jahre 1923 gar auf 43 % absank. Auch in Westeuropa, wo man vor 1914 ebenfalls vom internationalen Warenaustausch enorm profitiert hatte, kamen Handel und Gewerbe nach 1918 nur langsam wieder in Gang. Die Folge waren Arbeitslosigkeit und materielle Not, vor allem in den Unterschichten, die z.B. in England zu Proteststreiks und Hungermärschen führten.
    Die Kosten des Weltkrieges wären indessen nicht vollständig aufgeführt, wenn man nicht auch die Verluste des Finanzsystems betrachtete. Wir werden weiter unten analysieren, wie die am Weltkrieg beteiligten Länder ihre Teilnahme im Einzelnen finanzierten. Hier genügt daher der Hinweis, dass der Konflikt überall zu einer Verarmung der Volkswirtschaften führte. Um es drastisch zu sagen: Teure Granaten und Patronen wurden verfeuert, um Menschen und Güter auf der gegnerischen Seite zu zerstören. Menschen konsumierten nicht mehr friedlich die von ihnen produzierten Güter, sondern wurden von feindlichem Kriegsmaterial «konsumiert». Die Hoffnung war, dass der Sieg es möglich machen würde, die eigenen Kosten durch Reparationszahlungendes Verlierers auszugleichen. In diesem Glauben finanzierten alle Nationen, voran das Deutsche Reich, ihren Krieg über Anleihen, d.h. den Aufruf an die Besitzenden, ihre Ersparnisse gegen Anleihezertifikate dem Staat zur Verfügung zu stellen. Dieser versprach mit dem Zertifikat, die Summe bei einem siegreichen Ausgang zusammen mit Zinsen zurückzuzahlen.
    Indessen brachte schon die durch den Krieg beschleunigte Inflation eine Entwertung dieses patriotischen Opfers mit sich. Als zu dieser Entwertung auf Seiten der Mittelmächte noch die Niederlage kam, sank der Wert der Zertifikate unvermeidlich auf den Nullpunkt. Mit anderen Worten, die Dezimierung mittelständischer Sparkonten durch die im Kriege begonnene Teuerung steigerte sich hernach dadurch, dass der Staat sein Versprechen, die Anleihen plus Zinsen zurückzuzahlen, infolge des Kriegsausgangs annullieren musste. Wer einst ein schönes Sparguthaben besessen hatte, wurde auf diese Weise nach 1918 praktisch enteignet, mit politischen Folgen, die schließlich einen nicht unerheblichen Beitrag zum Zusammenbruch der Weimarer Republik und dem Aufstieg Hitlers leisteten.
    Angesichts der hier präsentierten Zahlen über die menschlichen und materiellen Verluste ist es nicht verwunderlich, dass die Europäer die Nachkriegsprobleme, die mit diesem Aderlass entstanden waren, bis 1939 nicht meisterten. Danach zettelte das nationalsozialistische Deutschland einen weiteren Weltkrieg an, der u.a. die territorialen Ergebnisse des Ersten annullieren und den nicht errungenen Sieg von 1914 «nachholen» sollte. Ebenso ist verständlich, warum die Historiker bis heute so gut wie einhellig den
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