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Der Eroberer

Der Eroberer

Titel: Der Eroberer
Autoren: Brenda Joyce
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drängte sich ihr die Erinnerung daran auf, wie der Normanne seine Hand zwischen ihre Schenkel geschoben hatte. Wütend versuchte sie den Gedanken fortzuwischen, nur um ihre Schwester in der gleichen Situation mit ihm zu sehen.
    Noch hatte die Vermählung nicht stattgefunden. Und obgleich Alice sich verzweifelt nach einem Ehemann sehnte, seit ihr Verlobter Edward bei Hastings gefallen war, wollte Ceidre nichts unversucht lassen, um diese Verbindung zu verhindern. Sie durfte nicht zulassen, dass ihre kleine Schwester mit diesem grobschlächtigen Kerl – ihrem Todfeind – vor den Traualtar trat!
    Ceidre nahm ihre rastlose Wanderung wieder auf. Das Zelt bestand aus Tierhäuten, die über abgeschlagene junge Bäume gespannt waren; als Zelteingang diente ebenfalls eine Haut. Es war Platz genug für ein Lager aus Decken und Fellen und um ein paar Schritte in jede Richtung zu gehen. Es war sein Zelt, sein Lager. Eher würde sie sterben, als sich darauf auszustrecken.
    Draußen war es noch hell, die Tage waren lang im Juni, und Ceidre konnte den Schatten hinter der Lederhaut am Eingang erkennen, der sich nicht bewegte. Guy.
    Ihr Beschützer.
    Am liebsten hätte sie laut aufgelacht. Sie war die Gefangene des Normannen, wenngleich er vermutete, sie sei seine Braut. Irgendwie musste ihr die Flucht gelingen. Sie musste nach Aelfgar, um Alice vor ihrem Schicksal zu warnen. Dann könnten sie gemeinsam fliehen und sich auf die Suche nach ihren Brüdern begeben. Wenn Edwin diese Heirat vereinbart hatte, so konnte er seine Zusage wieder rückgängig machen. Er würde sie beschützen. Doch als sie an die große Verantwortung dachte, die auf seinen Schultern lastete, die Verantwortung für sein Volk, für den gesamten Norden Englands, die Verantwortung für Aelfgar, sanken Ceidres Hoffnungen. Sie durfte Edwin nicht auch noch zur Last fallen. Sie musste Alice helfen und allein mit der Situation fertig werden. Und sie durfte keine Zeit verlieren.
    Man hatte ihr Essen gebracht sowie Nadel und Faden, womit sie ihr Gewand geflickt hatte. Nun beäugte sie Käse, Brot und den Krug Bier. Und dann langte sie entschlossen in ihren Ausschnitt nach dem Beutel, den sie um den Hals trug, streute eine kräftige Prise fein gestoßener Kräuter aus dem Beutel ins Bier, steckte das Säckchen wieder in ihr Gewand, strich sich das Haar glatt und hob in aller Ruhe die Zeltklappe.
    Guy von Chante richtete sich auf. »Herrin?«
    Ceidre spürte Guys Befangenheit; er trat von einem Fuß auf den anderen. Sie lächelte. »Seid Ihr nicht müde, hier zu stehen, nachdem Ihr den ganzen Tag im Sattel gesessen habt?«
    Guy errötete. Sie schätzte ihn in ihrem Alter, ein bis zwei Jahre über zwanzig. »Nein, Herrin, ich bin nicht müde.«
    »Ich möchte etwas essen«, sagte Ceidre mit der Huld einer Frau von hoher Geburt. »Und ich wünsche mir Gesellschaft bei meinem Mahl. «
    Guy bekam große Augen. »Ich weiß nicht … «
    »Es ist nur ein bescheidenes Mahl. Schenkt mir ein wenig Unterhaltung«, fuhr Ceidre fort. Ihre Augen verdunkelten sich. »Oder ist er ein solches Ungeheuer, dass er Euch selbst dieses Recht verweigert?«
    Guy versteifte sich. »Mein Herr ist kein Ungeheuer. Er ist der tapferste Krieger, des Königs bester Heerführer, das weiß die ganze Welt.«
    Ceidre versagte sich eine spitze Bemerkung. »Ist es mir wenigstens gestattet, mich zu Euch an die frische Luft zu setzen?«
    »Aber gern.«
    Ceidre holte den Krug Bier und das Essen und ließ sich anmutig neben Guy nieder, der eisern stehenblieb und weiterhin von einem Fuß auf den anderen trat. Die anderen Normannen lagerten einen guten Steinwurf vom Zelt entfernt, aus Achtung vor ihr, vermutete Ceidre. Über einem lodernden Lagerfeuer briet ein Lamm am Spieß. Unter aufgehäuften heißen Steinen wurde Brot gebacken. Sie entdeckte den Normannen, der abseits auf einem Felsen saß, eine Rolle Pergament in der Hand. Er blickte in ihre Richtung.
    Ceidre stieg die Hitze ins Gesicht. Hastig wandte sie den Blick ab. »Bitte setzt Euch«, lud sie Guy ein. Die Augen des Normannen hatten sie wie glühende Kohlen versengt, und das gefiel ihr nicht. Lüsterne Männerblicke waren ihr nichts Neues, erschienen ihr so natürlich wie Wind und Regen. Doch nie zuvor hatte sie ein solches Feuer in den Augen eines Mannes wahrgenommen.
    Sie wagte wieder einen Blick in seine Richtung. Und wieder begegnete sie seinen Augen. Ceidre verschränkte die Arme vor der Brust und wandte ihm brüsk den Rücken zu. Sie
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