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Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu

Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu
Autoren: Ursula K. LeGuin
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ich.«
    Er sah ein bißchen verängstigt aus.
    »Ihr geht einfach weg?«
    »So bist du fortgegangen; so bist du wiedergekommen«, stellte seine Mutter fest. »Sieh her, Funke: Dies ist die Geldschachtel deines Vaters. Darin liegen sieben Elfenbeinmünzen und die Schuldscheine vom alten Bridgeman, aber er wird nie bezahlen, er hat nichts, womit er bezahlen könnte. Diese vier andradischen Münzen bekam Flint dafür, daß er zu der Zeit, als du noch ein Junge warst, vier Jahre lang dem Schiffsausrüster in Thalmund Schaffelle verkaufte. Die drei havnorianischen Münzen sind der Betrag, den uns Tholy für den Hochbachhof gab. Ich habe deinen Vater dazu gebracht, diesen Hof zu kaufen, und ich habe ihm geholfen, ihn instandzusetzen und zu verkaufen. Diese drei Münzen nehme ich, weil ich sie verdient habe. Der Rest und der Hof gehören dir. Du bist der Hausherr.«
    Der große, magere junge Mann ließ die Geldschachtel nicht aus den Augen.
    »Nimm alles. Ich will es nicht«, flüsterte er.
    »Ich brauche es nicht. Aber ich danke dir, mein Sohn. Behalte die vier Münzen. Wenn du heiratest, nimm sie als mein Geschenk an deine Frau.«
    Sie stellte die Schachtel auf ihren Platz hinter dem großen Teller auf dem obersten Regal der Anrichte, wo Flint sie immer aufbewahrt hatte. »Pack deine Sachen fertig, Therru, weil wir sehr zeitig aufbrechen werden.«
    »Wann kommt ihr zurück?« fragte Funke; der Ton seiner Stimme erinnerte Tenar an das ruhelose zarte Kind, das er gewesen war. Aber sie sagte nur: »Ich weiß es nicht, mein Lieber. Wenn du mich brauchst, werde ich kommen.«
    Sie war damit beschäftigt, die Wanderschuhe und den Ranzen hervorzuholen. »Du kannst etwas für mich tun, Funke«, fügte sie hinzu.
    Er hatte sich unsicher und mürrisch auf den Herdplatz gesetzt. »Was?«
    »Geh bald nach Thalmund hinunter und besuch deine Schwester. Erzähl ihr, daß ich zum Oberfell zurückgekehrt bin. Sag ihr, daß sie mir Bescheid geben soll, wenn sie mich sehen will.«
    Er nickte. Er sah zu Ged hinüber, der wie jemand, der viel gereist ist, seine wenigen Habseligkeiten ordentlich und rasch gepackt hatte und jetzt das Geschirr einräumte, um die Küche ordentlich zurückzulassen. Dann setzte er sich Funke gegenüber und zog eine neue Schnur durch die Ösen seines Ranzens, um ihn oben zu verschließen.
    »Dafür gibt es einen Knoten«, mischte sich Funke ein, »einen Seemannsknoten.«
    Ged reichte ihm den Rucksack schweigend über den Herd hinweg und sah zu, wie Funke schweigend den Knoten vorführte.
    »Er gibt nach, siehst du«, erklärte er, und Ged nickte.
    Sie verließen den Hof in der Dunkelheit und Kälte des Morgens. Das Sonnenlicht kommt spät zur westlichen Seite des Gontbergs, und nur das Gehen hielt sie warm, bis die Sonne endlich um die große Masse des Südgipfels herumkam und ihnen auf den Rücken schien.
    Therru konnte doppelt so gut wie im vorhergehenden Sommer gehen, aber es war trotzdem ein Zweitagemarsch. Am Nachmittag fragte Tenar: »Sollen wir versuchen, heute noch nach Eichenbrunn zu kommen? Dort gibt es eine Art Wirtshaus. Wir haben dort eine Tasse Milch getrunken, erinnerst du dich, Therru?«
    Ged blickte geistesabwesend den Berghang hinauf. »Da oben gibt es eine Stelle, die ich kenne …«
    »Sehr gut«, sagte Tenar.
    Kurz bevor sie zu der hohen Kehre der Straße kamen, von der aus man Gonthafen zum erstenmal sieht, bog Ged in den Wald ab, der die steilen Hänge bedeckte. Die im Westen stehende Sonne sandte schräge rotgoldene Strahlen in die Dunkelheit zwischen den Stämmen und unter den Ästen. Sie gingen etwa eine halbe Meile, ohne daß Tenar einen Weg sah, und kamen auf einer kleinen Stufe oder Felsplatte am Berghang heraus, einer Wiese, die durch die Felsen dahinter und die Bäume ringsum vor dem Wind geschützt war. Von hier aus erblickte man die Höhen des Bergs im Norden, und zwischen den Spitzen der hohen Fichten hatte man einen Durchblick auf das westliche Meer. Hier war es vollkommen still, es sei denn, der Wind atmete in den Fichten. Weit oben im Sonnenlicht sang eine Berglerche lange und süß, bevor sie zu ihrem Nest im unberührten Gras hinunterfiel.
    Die drei aßen Brot und Käse. Sie sahen zu, wie die Dunkelheit vom Meer auf den Berg hinaufstieg. Sie bereiteten sich ein Lager aus ihren Mänteln und schliefen, Therru neben Tenar neben Ged. In der Tiefe der Nacht erwachte Tenar. Eine Eule rief in der Nähe, ein wiederkehrender lieblicher Ton wie eine Glocke, und weit oben vom Berg
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