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Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu

Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu
Autoren: Ursula K. LeGuin
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sagte er, und nun war es der eine, der eine, den sie liebte, aber sie wußte seinen Namen nicht mehr, der den Riemen hielt.
    Sie traten alle aus dem dunklen Haus hinaus. Stein gähnte, um sie durchzulassen, und knirschte hinter ihnen zusammen.
    Er war immer dicht neben ihr und dem einen, der den Riemen hielt. Andere kamen hinterher, drei oder vier Männer.
    Die Felder waren grau vor Tau. Der Berg war dunkel vor dem blassen Himmel. Die Vögel begannen in den Obstgärten und Hecken zu singen, immer lauter.
    Sie kamen zum Rand der Welt und gingen eine Weile an ihm entlang, bis sie dorthin kamen, wo der Boden nur Fels war und die Kante sehr schmal. Im Fels war eine Linie, und sie sah sie an.
    »Er kann sie stoßen«, sagte er. »Und dann kann der Falke fliegen, ganz allein.«
    Er nahm den Riemen von ihrem Hals.
    »Stell dich an den Rand!« befahl er. Sie folgte dem Strich im Stein bis zum Rand. Unter ihr lag das Meer, sonst nichts. Die Luft erstreckte sich vor ihr.
    »Jetzt wird Sperber ihr einen Stoß geben«, sagte er. »Aber vielleicht will sie zuerst etwas sagen. Sie hat soviel zu sagen. Frauen sind immer gesprächig. Möchtest du uns etwas sagen, Lady Tenar?«
    Sie konnte nicht sprechen, aber sie deutete zum Himmel über dem Meer.
    »Albatros«, sagte er.
    Sie lachte laut. Aus den Tiefen des Lichts, aus der Tür des Himmels kam der Drache geflogen und zog Feuer hinter dem sich windenden, gepanzerten Körper her. Da sprach Tenar.
    »Kalessin!« rief sie, drehte sich um, ergriff Geds Arm und zog ihn auf den Felsen hinunter, während das Dröhnen des Feuers über sie hinwegfegte, das Rasseln des Panzers und das Zischen des Windes in aufgestellten Flügeln, der Aufprall von Klauen wie Sensenblätter auf dem Felsen.
    Der Wind wehte vom Meer. Eine winzige Distel, die in einer Spalte im Felsen in der Nähe ihrer Hand wuchs, nickte ohne Unterlaß in dem Wind vom Meer.
    Ged war neben ihr. Sie hockten nebeneinander, das Meer hinter ihnen und der Drache vor ihnen.
    Er sah sie mit einem großen gelben Auge von der Seite an.
    Ged sprach mit heiserer bebender Stimme in der Sprache des Drachen. Tenar verstand die Worte, die nur »Wir danken dir, Ältester« lauteten.
    Kalessin sah Tenar an und sprach mit der riesigen Stimme wie ein Besen aus Metall, der über einen Gong gezogen wird: »Aro Tehanu?«
    »Das Kind«, sagte Tenar, »Therru!« Sie erhob sich, um zu laufen, um ihr Kind zu suchen. Es kam über das Felsensims zwischen Berg und Meer auf den Drachen zu.
    »Lauf nicht, Therru!« rief Tenar, aber das Kind hatte sie gesehen und lief, lief geradewegs auf sie zu. Sie klammerten sich aneinander.
    Der Drache wandte den ungeheuren rostdunklen Kopf, um sie mit beiden Augen zu betrachten. Die kesselgroßen Nasenlöcher waren hell vor Feuer, und aus ihnen kräuselten sich Rauchfäden. Die Hitze des Drachenkörpers drang durch den kalten Seewind.
    »Tehanu«, sagte der Drache.
    Das Kind wandte sich ihm zu.
    »Kalessin«, antwortete es.
    Ged, der auf den Knien geblieben war, stand auf, wenn auch schwankend, und ergriff Tenars Arm, um sich zu stützen. Er lachte. »Jetzt weiß ich, wer dich gerufen hat, Ältester«, bemerkte er.
    »Das war ich«, bestätigte das Kind. »Ich wußte nicht, was ich sonst tun sollte, Segoy.«
    Sie sah noch immer den Drachen an und sprach in der Sprache der Drachen die Worte des Erschaffens.
    »Es war gut, Kind«, meinte der Drache. »Ich habe dich lange gesucht.«
    »Wollen wir jetzt dorthingehen?« fragte das Kind. »Wo die anderen sind, auf dem anderen Wind?«
    »Willst du diese Menschen verlassen?«
    »Nein«, antwortete das Kind. »Können sie nicht mitkommen?«
    »Sie können aber nicht mitkommen. Ihr Leben ist hier.«
    »Ich werde bei ihnen bleiben«, erklärte es mit leicht stockender Stimme.
    Kalessin wandte sich ab, um den ungeheuren Hochofenhauch von Gelächter, Verachtung, Entzükken oder Zorn auszustoßen: »Ha!« Dann blickte er das Kind wieder an. »Es ist gut. Du hast hier Arbeit zu leisten.«
    »Ich weiß«, antwortete das Kind.
    »Ich werde wiederkommen, um dich zu holen«, versprach Kalessin. »Wenn es Zeit ist.« Und zu Ged und Tenar: »Ich gebe euch mein Kind, so wie ihr mir eures geben werdet.«
    »Wenn es Zeit ist«, antwortete Tenar.
    Kalessins großer Kopf beugte sich leicht, und der große Mund mit den Säbelzähnen kräuselte sich an den Ecken.
    Ged und Tenar zogen sich mit Therru zurück; der Drache drehte sich um, zog den Panzer über das Sims, setzte die klauenbewehrten Füße
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