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Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer
Autoren: Ursula K. LeGuin
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Hilfe«, sagte Sperber, und in seiner Stimme lag ein drohender oder ironischer Unterton. »Und ich habe einen passenden Gefährten gefunden.« Etwas Gefährliches ging von ihm aus, und der Meister des Gebietens stellte keine weiteren Fragen mehr, doch seine Stirn blieb gerunzelt.
    Der Kräutermeister, ein dunkler Mann mit ruhigem Blick, der wie ein weiser und geduldiger Ochse aussah, erhob sich von seinem Sitz und stand wuchtig auf. »Gehen Sie«, sagte er, »und nehmen Sie den Jungen mit. Sie haben unser volles Vertrauen!«
    Einer nach dem andern gab seine Zustimmung, und einzeln oder in Paaren verließen sie den Raum, bis von den sieben nur noch der Meister des Gebietens blieb. »Sperber«, sagte er, »ich will Ihren Entschluß nicht in Frage stellen. Doch das muß ich Ihnen sagen: Wenn Sie recht haben, und das Gleichgewicht gestört ist, wenn Unheil diese Welt bedroht, dann wird eine Reise nach Wathort, in den Westbereich, ja selbst ans Ende dieser Welt nicht weit genug sein. Dort, wo Sie hingehen müssen, können Sie Ihren Gefährten dorthin mitnehmen? Und ist es verantwortungsvoll, ihn dorthin mitzunehmen?«
    Sie standen abseits von Arren, und der Meister sprach mit gesenkter Stimme, doch der Erzmagier antwortete offen: »Ja, ich kann es verantworten.«
    »Sie sagen mir nicht alles, was Sie wissen.«
    »Wenn ich etwas Sicheres wüßte, dann würde ich es sagen. Aber ich weiß nichts, doch ich ahne viel.«
    »Lassen Sie mich mitkommen.«
    »Einer muß hierbleiben, um die Tore zu bewachen.«
    »Das tut der Pförtner.«
    »Nicht nur die Tore von Rok. Bleib hier! Bleib hier und schaue, ob die Sonne hell am Morgen aufgeht und paß auf, wer über die Steinmauer kommt und in welche Richtung er blickt. Eine Bresche, ein Bruch, eine Wunde ist irgendwo entstanden, und das, Thorion, das suche ich. Wenn ich nicht wiederkehre, dann geh du, vielleicht wirst du es finden. Doch warte. Ich bitte dich, warte auf mich!« Er sprach jetzt in der Ursprache, und in der Sprache des Schöpfens, in der Zauberformeln gewirkt und Handlungen der Magie vollbracht werden. Sehr selten unterhält man sich in dieser Sprache, nur unter Drachen ist sie geläufig. Der Meister des Gebietens erhob keine Einwände mehr. Er verbeugte seine hohe Gestalt vor dem Erzmagier und vor Arren und verließ den Raum.
    Das Feuer prasselte im Kamin. Kein anderer Laut war zu vernehmen. Der Nebel preßte sich formlos und undurchsichtig gegen die Fenster.
    Der Erzmagier starrte in die Flammen. Es schien, als habe er Arren vergessen. Der Junge stand etwas abseits am Kamin und wußte nicht, ob er gehen sollte oder warten. Unentschlossen und verloren stand er da und hatte wieder das Gefühl, nur eine winzige Gestalt in einer dunklen, grenzenlosen Weite zu sein.
    »Zuerst gehen wir nach Hort«, sagte Sperber unvermittelt und drehte seinen Rücken gegen das Feuer. »Dort laufen die Neuigkeiten aus dem Süden zusammen, und vielleicht finden wir einen ersten Hinweis. Dein Schiff wartet noch in der Bucht. Sprich mit dem Kapitän. Er soll deinem Vater Nachricht geben. Ich glaube, wir sollten bald gehen. Morgen früh, bei Sonnenaufgang. Komm zu den Stufen am Bootshaus!«
    »Ehrwürdiger Erzmagier, was …«, seine Stimme versagte. »Was suchen Sie?«
    »Ich weiß es nicht, Arren.«
    »Aber wie …«
    »Aber wie kann ich es dann suchen? Das weiß ich auch nicht. Vielleicht wird es mich suchen.« Er lächelte Arren kurz an, doch sein Gesicht hatte die Farbe von Eisen im grauen Licht, das durch die Fenster fiel.
    »Ehrwürdiger Magier«, sagte Arren, und seine Stimme hatte sich wieder gefangen, »es stimmt, daß ich ein ferner Nachkomme von Morred bin – wenn man einer Linie, die so alt wie diese ist, überhaupt trauen kann. Und ich rechne es mir als die höchste Ehre meines Lebens an, wenn ich Ihnen dienen kann. Es gibt nichts auf der Welt, was ich lieber täte. Doch fürchte ich, daß Sie mehr in mir sehen, als ich wirklich bin.«
    »Vielleicht«, meinte der Erzmagier.
    »Ich bin weder außerordentlich begabt, noch besonders geschickt. Ich kann mit dem kurzen und mit dem edlen Schwert kämpfen. Ich kann segeln. Ich kenne die höfischen und die ländlichen Tänze. Ich kann einen Streit unter Höflingen schlichten. Ich kann ringen. Mit Pfeil und Bogen kann ich nicht gut umgehen, doch ich bin gut im Netzballspiel. Ich kann singen und Harfe und Laute spielen. Und das ist alles. Mehr kann ich nicht. Wie kann ich Ihnen von Nutzen sein? Der Meister des Gebietens hatte
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