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Der elektrische Kuss - Roman

Titel: Der elektrische Kuss - Roman
Autoren: Susanne Betz
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privates Eigentum, viel gelesen und gut verborgen vor misstrauischen Blicken. Jetzt weichte es zwischen Rhabarberstauden und Fuchsienrabatten auf, oder schlimmer noch, es schwamm im Kanal.
    Wie immer hatte er Charlotte den ganzen Abend über nicht aus den Augen gelassen, zwischendurch jedoch wünschte der Fürst, dass er in die Bibliothek ging und irgendein Zitat nachschaute. Also hatte er später, als der Empfang zu Ende war, einem der Lakaien Geld zugesteckt und ihn ausgefragt. Deshalb wusste er genau, dass Charlotte mit dem sächsischen Grafen in dessen Zimmer verschwunden war.

Kapitel 2
    D er Hund mit dem gelben Fell sträubte sich, als er an einem sonnigen Herbsttag ins Haus gezogen wurde. Er hatte vor seiner Hütte gelegen und sich den Bauch gewärmt. Im langen dunklen Gang, durch den man ihn jetzt schob, saß dagegen schon die Kälte der längeren Nächte. Seine Krallen rutschten auf den Holzdielen, er zitterte, blieb stehen, sein Schwanz sackte nach unten. Dann spürte er die Hand seines Herrn im Nacken, die ihn energisch in einen Raum drückte, in dem er noch nie gewesen war. Wo ihm so viele aufregende und betörend starke Gerüche auf einmal entgegenschlugen, dass er sofort den Kopf hob und sie röchelnd einatmete. Schon tropfte ihm Speichel von den Lefzen. Die Hand befahl ihm, sich neben dem offenen Herd niederzulassen. Dann warf ihm die Hand auch noch einen Knochen zu, an dem mehr Fleisch als sonst hing. Der Hund, der auf den Namen Bärli hörte, fraß nicht gleich, sondern blickte erst auf und schaute mit seinen grünen Augen staunend in die braun gesprenkelten seines Herrn. Beide stimmten überein, dass es ein außergewöhnlicher Tag war.
    Mit dem ersten Licht hatte Samuel Hochstettler zusammen mit seinem Knecht Uri den Muckentalerhof, der außerhalb der Gemarkung lag, verlassen. Über eine Dreiviertelstunde wateten sie, die beiden Pferde am Zügel, im Nebel. Sie redeten nicht, sondern horchten auf das Stampfen der Hufe und das Rascheln in den Hecken. Von Zeit zu Zeit knarrte der Pflug ein wenig. Samuel spürte es schon voraus in allen Knochen, wann der Moment kommen und der Weg für ein paar Meter unangenehm werden würde. Rechtzeitig stülpte er sich deshalb seinen Hut vors Gesicht und stupste Uri an, damit der das Gleiche tat. So brauchten sie das Kruzifix der Papisten erst gar nicht sehen. Wie eine alberne Vogelscheuche hatten sie den ans Kreuz genagelten, aus seinen Wunden blutenden Heiland aufgestellt. Dabei wusste doch jeder, der die Bibel lesen konnte, dass man sich kein Bild machen sollte, weder vom Herrn noch von seinem Sohn.
    Ein oder zwei Mal in der Woche beugten die Katholischen, so wütete es in Samuel, schnell das Knie vor diesem Holzgestell, dabei dachten sie wahrscheinlich schon an ihr Tanzvergnügen oder das nächste Wirtshaus. Sie hurten, faulenzten und putzten sich heraus und vergaßen Ihn da draußen auf dem Feld oder in der Kirche. Während wir, sagte sich Samuel, und ein wohliger Schauer der Genugtuung lief ihm über den Rücken, dem Herrn in seinem Weg nachfolgen und unser Fleisch mit allen seinen Lüsten und Versuchungen täglich kreuzigen. Samuel schnaufte. Unter dem Hut bekam er schlecht Luft. Aber er wollte weit genug weg sein. Erst als er sich sicher sein konnte, dass er die lasterhafte Stellage passiert hatte, lüftete er den Hut vom Gesicht und setzte ihn sich wieder auf den Kopf. Er trieb die Pferde und Uri zur Eile.
    Einmal flog am Wegrand eine Kette erdbraun gefleckter Rebhühner aus den hohen, schon strohig gewordenen Gräsern auf, in denen sie geschlafen hatte, zog flügelschlagend in einem flachen Bogen hoch, und der Braune scheute. Samuels Blick wanderte über die gelb gescheckten Hutweiden, die wie Samtkappen auf den Kuppen der Hügel saßen, prall und tauglitzernd im Morgen, sodass man von der Weite meinen konnte, sie gäben etwas her. Aber sie würden bei aller Mühe auch seine Kühe nicht fett machen, so karg und narbig, wie sie waren. Die Trockenheit dieser Gegend quälte alle. Auch er bewirtschaftete nur eine einzige saftige Wiese im Tal. Welch ein Segen, dass sein Großvater das Wissen um die Bewässerung aus der Schweiz mitgebracht hatte. Denn im Sommer trocknete der Boden hier zu schnell aus, das Gras blieb niedrig, und es gab nicht genügend Heu für den Winter. Samuel hatte die schrundigen Risse vor Augen, die sich auf den Feldern auftaten, wenn es wieder einmal wochenlang nicht regnete. Bei ihrem Anblick musste man Angst haben, das Jüngste Gericht
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