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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Glück oder Unglück als solches zu erkennen. Da ich in Schicksalsdingen nie etwas anderes von ihm gehört habe und er somit der lebende Beweis für seine Theorie ist, wird er schon nicht ganz falsch damit liegen. Nur half es mir wenig, wenn ich mir klar machte, dass ich derselbe war vor und nach Ausbruch des Krieges, derselbe vor und nach einem Tag Schinderei über einem zu flickenden, brettharten Segel, vor und nach Ennid Muldoon. Und mein Glück glaubte ich durchaus erkannt zu haben. Nur deshalb hatte ich ja das verwirrende Gefühl, dass mich mein Glück unglücklich machte.
    Ich verstand nicht, was mit mir los war. Die beiden Menschen, die ich um Rat hätte fragen können, hatten andere Sorgen. Mein Bruder Dafydd und mein Schwager Herman bauten ein MG hinter den Propeller von Flieger-Ass William Bishop, und ich wollte nicht schuld daran sein, wenn der sich, statt einen der Richthofenbrüder vom Himmel zu holen, im Luftkampf über Paris selbst durchlöcherte, nur weil seine zwei walisischen Schnellfeuergewehringenieure nicht bei der Sache gewesen waren. Daher entschloss ich mich, Regyn nach Ennid Muldoon zu fragen. Aber ich erntete bloß schwesterliches Unverständnis.
    Meine Mutter Gwendolyn riet mir, die Sache zu vergessen und meinen Vater am besten erst gar nicht zu fragen. Mein Vater behauptete später, er hätte sofort gewusst, welche Stunde es geschlagen hatte, und ich will es ihm glauben, obwohl er nie etwas sagte, wenn wir ins Wochenende gingen und am Usk entlang nach Haus ins Dorf zockelten. Ich war stumm, er war stumm, oder ich war stumm, und er pfiff eines seiner selbsterdachten Liedchen.
    Eines Morgens aber sagte er auf dem Weg zum Dockkontor: »Schau heute mal in die Zeitung. Da steht alles drin. Lies sie und du weißt, was mit dir los ist.«
    Er ließ die Peitsche knallen, und unser Pony Alfonso, das den Montagmorgen so verabscheut wie ich, schnaubte mürrisch und legte einen Zahn zu.
    Er meinte es ernst. Wie sollte das funktionieren! Ich war verliebt in Ennid Muldoon, das wusste ich von selbst. Ich war schon einige Male verliebt gewesen, sogar das gefrorene Herz meiner Schwester hatte ich mir warm gebetet. Und ein väterlicher Rat ist immer gut gemeint, man soll ihn nicht einfach in den Wind schlagen.
    Nach Feierabend kaufte ich mir den South Wales Echo und verzog mich mit dem zusammengerollten Orakel in die nach Leim duftende Back eines Dampfers, der soeben auf den schönen Namen SAINT - CHRISTOLY getauft worden war.
    Und ich überflog die Schlagzeilen:
    USA drängen auf Anerkennung der Londoner Seerechtsdeklaration durch die Krieg führenden Mächte

Skandinavische Staaten wollen strikte Neutralität wahren

Japan fordert Aufgabe des kaiserdeutschen Stützpunktes Tsingtao in China
    Der Vormarsch des Krieges war in aller Munde. Die Meldungen in der Abendzeitung vertieften bloß die Informationen, die man im Laufe des Tages überall im Hafen zu hören bekam. Doch je mehr Meldungen ich las, desto mehr hatte ich das Gefühl, dass sie genauso mich betrafen, wenn auch auf eine Weise, mit der ich nicht gerechnet hatte.
    Einige Artikel las ich immer wieder. Und als ich dann noch einmal die Schlagzeilen überflog, passierte, was Dad vorausgesagt hatte:
    USA drängen auf Anerkennung der Londoner Seerechtsdeklaration durch die Krieg führenden Mächte

Skandinavische Staaten wollen strikte Neutralität wahren

Der junge Merce Blackboro aus Newport will Seemann werden
    Im Leimgeruch der SAINT - CHRISTOLY wusste ich mit einem Mal, dass nichts anderes als die See der Grund für meine Traurigkeit war.
    Ich hatte Fernweh, verzehrte mich vor Sehnsucht, wegzukommen, weg aus Pillgwenlly, weg von meinen Eltern und meiner Schwester, weit weg von Merthyr Tydfil mit seinen Hangars und seiner ältesten Fabrik der Welt. Alles erschien mir so alt wie die Sage von König Artus, so alt wie das Gälisch, das wir sprachen, sobald wir unter uns waren, alt wie die Kelten, die so alt waren wie Moses, der ausgesetzt wurde im Schilf am Ufer des Wassers, yn yr hesg ar fin yr afon.
    Ich wollte weg, dorthin, wo alles neu für mich wäre. So wie die Meldungen des South Wales Echo nur ein einziges Thema kannten, den Krieg, der um die Welt lief, so verhieß mir jede seiner Schlagzeilen eine Möglichkeit, die Welt kennen zu lernen, bevor es zu spät war … bevor ich mein Glück machte mit Ennid Muldoon und der Kunstfertigkeit meiner
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