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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Müdigkeit in den Schoß kippte.
    Nein, ganz bestimmt und auch wenn es ihn kaum kümmern dürfte, geht der Matrose William Lincoln Bakewell am Recalada-Feuerschiff leer aus.
    Das Gleiche gilt für mich. Und dabei hätte ich doch sogar zwei Adressen anzubieten:
    Merce Blackboro
Blinder Passagier
Ölzeugspind ENDURANCE
    und, für Absender, die es nicht eilig haben:
    Merce Blackboro
Seemann USS JOHN LONDON poste restante Meeresgrund

4
Ennid und das Äffchen
    B evor ich in Newport an Bord ging, schenkte mir meine Mutter diese sturmfeste Jacke. Ich liebe sie. Ich habe den Grego seitdem nur zum Waschen und Trocknen ausgezogen. Seine Kapuze hält mir Nacken und Ohren auch in meinem Eisschrank schön warm, und weil Mom die hellblaue Joppe mit einem zweiten Futter versehen hat, kann ich auch über mangelnde Polsterung nicht klagen.
    Was soll ich traurig sein über fehlende Post von daheim, wenn ich in den Abschiedsbrief meiner Eltern hineinschlüpfen kann?
    Außerdem habe ich Ennid Muldoons Fisch. Ennids Glücksbringer ist immer bei mir, seit ich während einer Freiwache im Klüverbaumnetz der durch ruhige See laufenden JOHN LONDON meinem Grego eine mit Knopf verschlossene Tasche zwischen die Futter genäht habe. Darin steckt der kleine Holzfisch und hat einen Zettel im Bauch, den ich erst lesen soll, wenn mich der Mut verlässt.
    Aber selbst wenn ich es wollte, könnte ich im Dunkeln nicht lesen, was er mir wohl rät, Ennids weiser Fisch, der sich durch den Stoff wie ein Tannenzapfen anfühlt.
    Und ich will es auch gar nicht wissen. Ich war nur einmal drauf und dran, den Zettel zu lesen: als ich auf dem Wrack der JOHN LONDON Bakewell von Ennid erzählte. Wir trieben eine ganze Woche lang hilflos durch stürmische See, und trotzdem fand ich mich nicht sonderlich mutlos. Drum blieb der Fisch in der Tasche. Da werde ich ihn jetzt nicht herausholen.
    Runde schlafen? Yes, Sir. Yesser, kleines Nickerchen. Mut, Merce! Mutig ein Bett aus Gummistiefeln gebaut. Bis zum großen Anpfiff ist noch Zeit. Erst wenn die dicke ENDURANCE auf offener See ist und Kurs Südgeorgien nimmt, gibt es für sie kein Umkehren mehr.
    Jeder Tag zählt, wenn es ins Eis geht. Selbst Shackleton kann die Antarktis nicht im antarktischen Winter durchqueren. Und doch dürfte Bakewell allmählich auf eine günstige Gelegenheit aus sein, um mich aus dem Spind zu holen und vor den Skipper zu stellen. Hinaus muss ich ja doch irgendwann … soll ja hier unten nicht schwarz werden. Ganz gleich, wie gut Käpt’n Worsley gelaunt ist, weil sich die Segel bis hinauf zur Großoberbramrah im Wind blähen oder weil der Sir, der sich freut wie ein Kind, ihm den Arm um die Schultern gelegt hat – der Käpt’n wird sich kräftig die Lungen freibrüllen, wenn ich mit meinem hellblauen Grego erst vor ihm stehe und mir die Augen reibe, geblendet von so viel Licht.
    Die JOHN LONDON war einer der Frachtschoner, die vor dem Krieg die Südamerikaroute befuhren. Meist Dreimaster mit Verstärkungsmaschine, beförderten die Schiffe größeres Stückgut aus Stahl und Eisen, aber auch Holz. Es waren ramponierte Kähne, die oft ins Dock gingen. Die betagte JOHN LONDON stand bei einer Kompanie mit Sitz in Swansea unter Vertrag; den Bauch voller Eisenbahnbohlen, pendelte sie seit Jahren zwischen Wales und Uruguay. Bei uns in Newport war sie schon öfter gewesen, weshalb mein Vater sie kannte; vor Jahren hatte er auf dem Vorderdeck ein neues Forecastle für die Mannschaftsquartiere gezimmert. Als die JOHN LONDON zu Anfang des Sommers an der Pier der Parks-Werft festmachte, gingen wir an Bord, um den Zustand des Forecastles in Augenschein zu nehmen und die nötigen Ausbesserungen in die Wege zu leiten.
    Wir arbeiteten mehrere Wochen lang an Aufbauten und Quartieren unter Deck, die in erbarmungswürdigem Zustand waren. Während des Schleppens, Sägens, Einpassens, Schleifens, Feilens und Pinselns lernte ich so gut wie jeden Winkel auf dem Schiff kennen. Ich bemerkte überall Zeichen von Verwahrlosung. Doch unsere drei Schreiner und ich möbelten die alte Amerikanerin noch einmal so richtig auf. Und Dad schenkte ihr sogar einen Hut, mit dem sie stolz tun konnte, denn das Forecastle bekam ein neues Dach aus leuchtendem Kirschbaum.
    Wir waren fast fertig, als eines Morgens auf dem sonst immer menschenleeren Schiff das Leben neu zu pulsieren begann. Matrosen und Heizer
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