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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat
Autoren: China Miéville
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Mach einen Golem aus Klang und Zeit, damit sie sich nicht bewegen kann. Es war bitterkalt. Sing dein Lied, Judah, dein Golemlied, wie vorhin, und mach einen Golem aus stillstehender Zeit, in der sie gefangen bleibt, und dann gehen wir fort.
    Aber Judah tat nichts dergleichen, und Ann-Hari drückte ab.

 
Kapitel 35
     
     
    Auf dem Tar kehrte Cutter in die Stadt zurück. Bei Nacht und Nebel. Allmählich und unter neuen Gesetzen brachten die New Crobuzoner Autoritäten den Flusshandel wieder in Gang. Die Schlepperkapitäne warteten darauf, dass die Touren eingeteilt wurden. In rußiger und mit Ölflecken übersäter Arbeitsmontur, am Ruder einer ausladenden Schaluppe ließ Cutter sich wieder von dem Moloch verschlingen.
    Links und rechts breiteten sich an der Windung des Flusses die Häuser aus, schütter erst, dann zu Hunderten. Er hörte ihre Geräusche, das Arbeiten von Holz und Mauerwerk, und die Erinnerung wurde wach – er wusste, er kam nach Hause. Der Schiffer, den Cutter bestochen hatte, ihn in seine Mannschaft aufzunehmen, wollte ihn möglichst schnell loswerden. Unter wiederholtem Husten des Motors tuckerten sie an den geteerten Baracken von Raven’s Gate entlang, dem Kheprighetto in Creekside, den von Käfermörtel umkleideten Häusern, und unter den alten Backsteinbrücken von New Crobuzon hindurch, im Kielwasser die regenbogenfarbige Ölspur des alten Kahns.
    Luftschiffe waren unterwegs. Sie stelzten auf den Lichtstrahlen der Suchscheinwerfer durch die Stadt. Einer davon spießte das Boot auf, ging aus, an, aus.
    Cutter wanderte zwischen den Speichern von Smog Bend hindurch, ausgeblichene Ziegelmauern, fleckiger Beton. Durch Schwaden von Kreosot, Bitumen. Vorbei an vermoderten Plakaten, Bauschutthalden, geschrotetem Glas und Steinbruch, gelangte er in Straßen, die einmal das Kollektiv kontrolliert hatte. Cutter erinnerte sich an Mieterversammlungen in den Wohnblocks, wo man lärmend über alles Mögliche abgestimmt hatte. Jetzt sah es wieder aus wie vor dem Kollektiv: jeder Platz seine eigene kleine Wildnis aus Beton sprengenden, dornigen Ranken und Wiesenkerbel, Tummelplatz von Insekten. Die Mauern waren mit Spiralen bemalt. Der Regen wusch sie ab.
     

     
    Tage später. Cutter hatte die neuen Regeln gelernt, wusste, wie man der Miliz auswich, die in den Straßen patrouillierte, Creekside, Murkside und vor allem Dog Fenn. Sie behaupteten, dort hielten sich noch Nester kollektivistischen Widerstands, und führten radikale Säuberungsaktionen durch.
    Cutter schwieg, wenn er sah, wie die Kommandos aus halb eingestürzten Häusern kamen, Männer und Frauen mitzerrten, die verzweifelt ihre Unschuld beteuerten, manchmal auch ihren Trotz hinausschrien. Er hielt die Augen niedergeschlagen. In einem Zustand dumpfer Betäubung passierte er die Kontrollpunkte, zeigte ruhig seine gefälschten Papiere, weil es ihm gleichgültig war, ob man ihn verhaftete, und wenn man es nicht tat, ging er weiter ohne ein Gefühl von Triumph.
    Die besseren Viertel hatten ihre Reize. BilSantum Plaza. Der Bahnhof Perdido Street. Als hätte es keinen Aufstand gegeben. Die Spiralen waren verschmiert. Die Perdido Street Station thronte wie ein Gott über der Stadt. Cutter hob den Blick zu dem verkanteten Tausenderlei der Dächer, wo er gewesen war.
    In den letzten Tagen des Kollektivs hatte es eine verzweifelte Nachahmung des Barrackham-Attentats gegeben. Von der Saltpetre Station fuhr ein mit Sprengstoff beladener Zug immer schneller werdend in Richtung Perdido Street Station. Er hatte die Mission, den symbolträchtigen Kolossalbau, wenn nicht zum Einsturz zu bringen, so doch möglichst schwer zu beschädigen und ein Zeichen zu setzen: Wir sind noch nicht besiegt!
    Der Kollektivist im Führerstand, der sich für dieses Himmelfahrtskommando Mut angetrunken hatte, rammte, berauscht von Schnaps und Todesgewissheit, die Barrikade vor der Sly Station und donnerte weiter in Richtung Spit Bazaar. Aber die Miliz war zur Stelle und hatte den heranrasenden Zug auf freier Strecke in die Luft gejagt. Die Explosion riss eine Lücke in die Arkaden der Hochbahn, die sich in hohen Schwüngen von einem Ende New Crobuzons zum anderen erstreckten. Die Sud Line war unterbrochen, die Reparaturarbeiten dauerten noch an.
    Die Plakate an den Kiosken, die Zeitungen, die Proklamationen auf Wachszylindern, die man in den Voxiterator-Trafiken umsonst anhören konnte, priesen dem Bürger die Erfolge der Munizipalität: Teshs Tributzahlungen, Teshs
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