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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Emotionen. Offensichtlich hatte sie sich in der Tat in keiner wesentlichen Hinsicht verändert. Und sie konnte ihm noch immer nicht die Wahrheit sagen – nicht hier, unter freiem Himmel und unter den Augen der Riesen. Sie versuchte, seine Frage mit einem Achselzucken abzutun, ihre Miene zu glätten. Aber Covenants Aufmerksamkeit verlor nichts von ihrer Schärfe. »Ich habe an Gibbon gedacht«, meinte sie mit sorgsam gemeisterter Stimme. Mit den Augen bat sie Covenant, die Sache auf sich beruhen zu lassen. »Ich sollte wohl besser an etwas anderes denken.«
    Daraufhin milderte sich sein Gesichtsausdruck. Er wirkte wie ein Mann, der die Bereitschaft hegte, so gut wie alles für sie zu tun. Er räusperte sich. »Wir haben über Hohl gesprochen«, sagte er. »Seit er an Bord gekommen ist, hat er sich nicht vom Fleck gerührt. Er ist im Weg. Er behindert das Arbeiten mit den Tauen. Die Matrosen haben ihn gebeten, zur Seite zu gehen – aber du kannst dir vorstellen, wieviel das genutzt hat.« Das konnte sich Linden nur zu gut vorstellen. Immer wieder hatte sie den Dämondim-Abkömmling in seiner vertrauten, lockeren Haltung irgendwo verharren sehen, die Arme leicht gebeugt, den Blick ins Nichts gerichtet, unbewegt wie ein Obelisk. »Also haben sie versucht, ihn wegzurücken. Zu dritt. Aber es war nichts zu machen.« Covenant schüttelte den Kopf, als sei es ihm unbegreiflich, wie jemand schwer oder stark genug sein konnte, um drei Riesen zu widerstehen. »Wir haben darüber beraten, was man tun könnte«, fügte er dann hinzu. »Grimme meint, vielleicht wäre ein Flaschenzug das richtige Mittel.«
    Insgeheim seufzte Linden erleichtert auf. Die Dunkelheit wich erneut ein wenig zurück; die Linden gebotene Möglichkeit, sich ein bißchen nützlich zu machen, tat das ihre, um das Dunkel weiter zu verdrängen. »Das wird auch nicht helfen«, antwortete sie. Hohls Absichten waren ihr ein Rätsel; doch sie hatte tief genug in sein Inneres geblickt, um zu wissen, daß er eine dichtere und unbeweglichere Beschaffenheit annehmen konnte als der Granit des Schiffs. »Wenn er sich nicht bewegen lassen will, kann er auch nicht bewegt werden.«
    Covenant nickte, als hätte sie seine Erwartungen bestätigt. Die Erste murmelte verdrossen etwas vor sich hin. Blankehans hob die Schultern, dann befahl er der Mannschaft, ihre Arbeit um den Dämondim-Abkömmling herum zu verrichten, so gut es sich machen ließ.
    Linden war froh darüber, sich in dieser Runde zu befinden. Ihre Bedrücktheit hatte nun ganz erheblich nachgelassen. Die ungeheure Gesundheit und Lebenstüchtigkeit der Riesen schien wie ein Schild zu wirken, der sie gegen negative Einflüsse abschirmte. Und Covenants Rücksichtnahme beruhigte sie. Sie vermochte wieder zu atmen, als könnten keinerlei Erinnerungen an Tod und Sterben ihre Brust beengen. Sie ging zur Heckreling, setzte sich an einen Pfosten und versuchte, sich in ihrer Stimmung auf das Riesen-Schiff einzustellen. Kurz danach kam Cail und löste Ceer ab. Seine Miene zeigte keine Andeutung eines Vorwurfs wegen des umsonst erteilten Auftrags. Auch für diese Rücksicht war sie dankbar. Sie spürte hinter dem Gleichmut der Haruchai eine beeindruckende, starke Kapazität des Urteilfällens. Sie mochte dergleichen nicht gegen sich gerichtet sehen.
    Fast unbeabsichtigt kehrte ihr Blick zurück zu Covenant. Aber seine Beachtung galt anderem. Die Sternfahrers Schatz und ihre Besatzung hatte ihn von neuem in ihren Bann gezogen. Die Dromond faszinierte ihn so sehr, die von den Riesen entgegengebrachte Freundschaft wühlte ihn in solchem Maße auf, daß dagegen alles andere in den Hintergrund trat. Er stellte Blankehans und der Ersten Fragen, um sie zum Reden zu veranlassen, und lauschte ihren Auskünften mit dem Eifer eines Menschen, der in all seiner Einsamkeit noch keine Antworten gefunden hatte. Linden folgte seinem Beispiel, schaute und hörte ebenfalls zu.
    Blankehans sprach durchaus gern und lang über Leben und Arbeit auf seinem Schiff. Die Besatzung war in drei Schichten eingeteilt, die jeweils dem Kapitän, dem sogenannten Ankermeister und der Lagerverwalterin unterstanden. Aber genau wie ihre Befehlshaber gönnten sich anscheinend auch die Mannschaftsmitglieder, wenn sie dienstfrei hatten, keine richtige Muße. Ihre ausgeprägte Zuneigung zu dem Schiff gestattete es ihnen offenbar nicht, die Sternfahrers Schatz vollauf anderen zu überlassen, und sie verbrachten ihre Freizeit damit, da und dort diese und jene Aufgaben
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