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Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)

Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)

Titel: Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)
Autoren: Raul Zelik
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mit dem Vater nichts zu tun haben.
 
    Um zwei Uhr macht er sich schließlich auf den Heimweg, schlägt Steffens Angebot aus, auf dem Sofa zu schlafen, tritt hinaus in die kühle Augustnacht, die guttut, weil sie einen auf den Boden der Realität zurückholt, sich erdig anfühlt.
    Beim Radfahren ist es, als ziehe das Gesicht in der Luft eine Fahrrinne wie ein Bug auf dem Wasser.
    Er fährt den Umweg, sechs, sieben Kilometer, über den Chamisso-Kiez; streunt eine Weile vor der Wohnung der Tante herum, schaut, ob er Licht sieht; ruft erneut auf dem Handy an, klingelt an der Tür, beobachtet, ob sich etwas bewegt, fährt unverrichteter Dinge weiter nach Hause.
    Zu Fil nach Hause.
    Es gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen, denkt Daniel, als er die Hasenheide durchquert, das Gefühl eines plötzlichen Wintereinbruchs, die Luft schneidend klar, kalt, und seine Gedanken zu ordnen versucht: Es ist nichts passiert, Geschichte wiederholt sich nicht.
 
    Am nächsten Tag braucht er eine Weile, bis er wach geworden ist. Wieder versucht er es als Erstes auf dem Handy, dann in seinem Mail-Account, bei Facebook, auf einer Website, auf der er sie einmal etwas posten sehen hat, und weil er wieder nichts findet, nimmt er schließlich den Joint, den sie ihm vor ein paar Tagen geschenkt und den er für eine besondere Gelegenheit zurückgelegt hat, ohne zu ahnen, was das für eine Gelegenheit sein würde.
    Er setzt sich ans halbgeöffnete Fenster, steckt den Joint an, lässt die nach Regen schmeckende Luft hereinstreichen, und plötzlich ist der Gedanke ganz klar, so klar wie noch nie.
    Hat Ela nicht erklärt, der Vater habe mit dem Schwanz gedacht?
    Sie selbst war siebzehn oder achtzehn, als sie mit Fil zusammenkam.
    Das würde alles erklären.
    Jüngere Frauen, hat Beule gesagt.
    Es würde erklären, warum Ela nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte.
    Jeden Kontakt abbrach.
    Fil stand auf jüngere Frauen, hat Beule gesagt.
    Es würde erklären, an welche Psychos Dem nicht erinnert werden wollte, weshalb Ela jeden Kontakt zum Vater abbrach.
    Alles erklären.
    Und so setzen sich die Bilder vor seinen Augen zu einem Film zusammen, einem Film, den Daniel gar nicht sehen will: Dem, wie sie die Küche mustert, die Vitrine betrachtet, die ihr vor zehn Jahren schon einmal in einer Wohnung begegnet ist. Zunächst schiebt sie den Gedanken weg, ist er nur eine dunkle Erinnerung, ein schlechtes Gefühl, aber als sie dann noch einmal wach wird, am frühen Morgen oder mitten in der Nacht, steht sie dann doch leise auf, um sich noch einmal alles genau anzusehen. Sie schließt die Schlafzimmertür, schleicht durch die Wohnung, fragt sich, ob sie sich das alles nur einbildet, allmählich zu spinnen beginnt. In Fils Arbeitszimmer macht sie die Schreibtischlampe an, betrachtet erst das Bücherregal, dann die Briefe, die aber Daniel gehören, schließlich die offene Schublade. Sie stößt auf den Ausweis, klappt ihn auf und erstarrt; begreift schlagartig, in wessen Wohnung sie ist, versteht, wer Daniel ist, wessen Sohn er ist, erkennt den Zusammenhang, die Beziehung zwischen Ela, Rumänien, Fil, ihm.
    Ihr ist schlecht, ihr ist zum Kotzen zumute.
    Denn sie begreift in diesem Moment nicht nur, wer Daniel ist, wer Daniels Vater ist, sondern auch, dass sie, bevor sie mit Daniel etwas hatte, mit dem Vater … Daniel ballt die Hände zur Faust und schlägt auf die Oberschenkel ein. Siemuss das Gefühl gehabt haben, er habe ein Spiel mit ihr gespielt, habe sich eine Inszenierung für sie ausgedacht, eine besonders widerliche, muss in diesem Augenblick gedacht haben, dass das kein Zufall sein kann.
    Das darf nicht sein, denkt er, es darf nicht sein, dass es das war, Entsetzen steigt ihm die Schläfen hinauf, läuft heiß über den Schädel, schnürt ihm die Kehle zusammen wie eine fremde Hand, darf nicht sein, dass sie den Vater nicht nur kannte, sondern … Er kann die Vorstellung, die sich ihm als Bild aufdrängt, nicht einmal als Satz formulieren. Der Ekel rollt über ihn hinweg wie eine Welle, es ist, als werde er eingeholt, eingeholt von was?, als lege sich etwas über ihn, als werde er erdrückt.
    Es widerspricht jeder Wahrscheinlichkeit, redet Daniel gegen die Vorstellung an, selbst wenn Dem über Ela auch Fil kennengelernt haben könnte, der Vater auf jüngere Frauen stand, er Ela mit irgendeiner Geschichte verletzt hat, Fil mit dem Schwanz dachte , heißt das noch lange nicht, muss das noch lange nicht bedeuten, dass Dem, dass die Frau, mit der
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