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Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)

Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)

Titel: Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)
Autoren: Raul Zelik
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gewechselt, wenn er von der Familie zu sprechen begann.
    Hat sie das gemacht, weil sie etwas ahnte und nicht wahrhaben oder weil sie nicht an die eigene Familie erinnert werden wollte?
    Was hätte sie ahnen sollen?
    Dass er ein Anderer ist, wenn er Fils Sohn ist?
    Er überlegt, ob er Ela anrufen und nach Dem fragen soll, Demiana, dem Mädchen, das von zu Hause ausgerissen war, vor etwas über zehn Jahren, sie waren im Urlaub zusammen; fragen soll, ob damals etwas vorgefallen sei. Was soll vorgefallen sein? Ela würde fragen, wie er darauf kommt, und er würde antworten müssen, dass er Dems Foto bei ihr in den Unterlagen gesehen hat.
    Als ich in deinem Zimmer rumschnüffelte. An dem Tag, als du so sauer warst.
    Sie würde auflegen, ohne zu antworten.
    Er könnte aber auch antworten, dass er umgekehrt bei Dem ein Foto von Ela gefunden hat, ein Gruppenfoto, von einer Jugendreise.
    Sie würde fragen, woher Daniel das Mädchen kennt, und er würde antworten, dass sie zusammen sind.
    Zusammen? Sind sie zusammen?
    Irgendetwas stimmt nicht, Dem hat erzählt, Ela und sie hätten ein schwieriges Verhältnis gehabt, sie hat nicht erklärt warum, sie hat nur gesagt, es sei psycho gewesen, sehr anstrengend. Was war anstrengend?
    Sie war 17, überlegt er, als Ela ihre Betreuerin war; kurze Zeit später ist Ela nach Rumänien gegangen.
    Wieder ruft er auf Dems Handy an, wieder hört er nur die Ansage, der Teilnehmer sei zur Zeit nicht erreichbar; wieder rennt er nervös durch die Wohnung, sucht nach Erklärungen, blickt in die offenstehende Schublade, überlegt, was Dem gedacht haben könnte, als sie Fils Ausweis fand.
    Dabei ist Daniel sich nicht einmal sicher, ob Dem wirklich in die offenstehende Schublade geschaut und den Pass gesehen hat. Aber wenn es das nicht war? Warum sollte sie dann weggerannt sein?
 
    Er nimmt seine Jacke, das Handy, die Schlüssel, läuft aus dem Haus. Vom Weichselplatz, der an diesem Morgen ausgestorben aussieht, es ist kühl geworden, bis zur Wohnung von Dems Tante braucht er normalerweise zwanzig Minuten mit dem Rad, diesmal schafft er die Strecke in der Hälfte der Zeit. Den Kanal hinunter, über die Ampel an der Glogauer Straße, an den Supermärkten vorbei, dann schräg nach Südwesten Richtung Südstern hinunter, am Ende der Häuserzeile die Anhöhe zum alten Flughafen hinauf.
    Es ist kalt, ihm ist heiß.
    Er schwitzt, aber weiß nicht, ob wegen der Anstrengung oder aus Angst.
    Angst? Wovor? Dass er Dem nicht wiedersehen könnte? Dass sie so plötzlich aus seinem Leben verschwunden sein könnte, wie sie aufgetaucht ist?
    Oder weil etwas nicht stimmt?
    Was sollte nicht stimmen?
    Hat sie von Sarah-Nina-Charlotte erfahren?
    Die behauptet, schwanger zu sein?
    Oder hat es mit Fil zu tun?
    Er kommt am Haus an, klingelt Sturm, aber niemand antwortet. Ruft erneut auf dem Handy an, hört wieder nur die Nachricht des Mobilfunkanbieters, setzt sich vor die Haustür, steht wieder auf, klingelt erneut, setzt sich, ruft auf dem Handy an, denkt: Warum ist sie weg, warum hat sie nicht wenigstens eine Nachricht dagelassen, was war so schlimm, dass sie nicht einmal eine Notiz dalassen konnte?
    Sarah-Nina-Charlotte ist schwanger. Behauptet, schwanger zu sein.
    Es ist, als würde sich das Leben sinnlos wiederholen.
 
    Als Dem auch nach einer Stunde nicht auftaucht, fährt er zum Kiosk, zur U-Bahn-Station. Dem hat gesagt, dass sie nicht arbeiten werde, aber vielleicht ist etwas dazwischengekommen, vielleicht ist die Erklärung ganz einfach: Sie hat eine Nachricht bekommen, dass sie einspringen muss, wollte Daniel nicht wecken, ist im Morgengrauen gegangen, hat im unterirdischen Bahnhof keinen Empfang.
    Aber haben nicht alle Berliner U-Bahnhöfe mittlerweile Handyempfang?
    Der Akku könnte leer sein, denkt er weiter. Sie könnte die Nachricht bekommen haben, kurz bevor der Akku seinen Geist aufgab.
    Er rennt die Treppe hinunter, hinein in die dampfige U-Bahn-Luft, nimmt jeweils mehrere Stufen auf einmal, versuchtnoch vom Mittelabsatz aus einen Blick zwischen Werbestellwänden und Passanten hindurch auf den Kiosk zu erhaschen, aber die U-Bahnhof-Beleuchtung ist zu schummrig, das Kabuff mit zu vielen Zeitschriften verhängt. Er muss bis an den Kiosk, sich direkt an die Scheibe stellen, bis er erkennt, wer hier an diesem Tag arbeitet. Zwei blaue Augen: hell, wässrig, unbestimmt, von Tränensäcken umrahmt. Im Kiosk sitzt eine Seniorin und blickt zu ihm auf.
    Ob Demiana da gewesen sei, fragt er, atemlos, Dem, die
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