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Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)

Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)

Titel: Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)
Autoren: Raul Zelik
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kommunizieren?
    Als der Mann weg ist, sagt sie: Scheiße, das mit deinem Vater und dann: Wollen wir uns sehen?
    Sehen wozu?
    Einen Ausflug machen, miteinander reden. Hast du Lust, nach allem noch einmal einen Ausflug mit mir zu machen?
    Er überlegt. Überlegt nicht wirklich:
    Klar, warum nicht?
    Morgen? schlägt sie schnell vor, überraschend gut gelaunt, gleich Morgen? Dann kannst du mir alles erzählen.
    Er zuckt mit den Achseln; unsicher, wie er reagieren soll, wie er reagieren kann, damit sie ihn nicht für einen willenlosen Idioten hält.
    Gut, morgen. Er versucht, sachlich zu klingen.
 
    Am nächsten Tag, S-Bahn-Haltestelle Schlachtensee, ist es für die Jahreszeit zu kalt, sind die Pfützen von Eisplatten bedeckt, knackt es unter den Schuhsohlen, ein Geräusch wie brechendes Glas. Der Atem steigt dampfend auf, sie gehennebeneinanderher, ohne sich zu berühren, blicken über den Wald. Obwohl es noch nicht fünf Uhr Nachmittag, noch nicht besonders spät ist, liegt ein purpurner Sonnenuntergangsschimmer am Himmel, über den graubraunen Baumkronen. Unter den Kleidern kriecht Kälte hinauf, eine Krähe faltet sich müde in ihre Flügel, ein schwer schlagender Schwan auf dem See steigt kaum aus dem Wasser empor.
    Winter, sagt Daniel, viel zu früh, und Dem ballt, anstelle einer Antwort, die Finger zur Faust; pustet hinein.
    Die Kältewelle, denkt er, sie begann direkt, nachdem Dem verschwunden war. Als wäre sie der Sommer gewesen.
    Sie bleibt stehen, greift in die Jackentasche, zieht einen Joint heraus, schon fertig gedreht, steckt ihn sich an, und Daniel überlegt, was er tun soll – sich abwenden und gehen, die Revanche genießen, oder mit ihr reden, als sei nichts gewesen?
    Was hätte Fil gemacht?
    Wir waren in Marokko, beginnt sie plötzlich, im Atlas, ganz tief drinnen.
    Er nickt, sie raucht, zieht zwei-, dreimal kräftig am Joint, drückt den Rauch in die Lunge, schiebt hinterher: Mit ein paar Freunden. Mit meinem Freund.
    Daniel blickt auf. Erstaunt darüber, dass er nun doch noch eine Erklärung präsentiert bekommt, die einfachstmögliche Erklärung.
    Sie und ihr Freund hätten das schon lange vorher verabredet gehabt, schon Wochen, bevor sie Daniel kennenlernte.
    Und deshalb konnte sie nicht Bescheid sagen, antwortet er mit einer Frage, bist du einfach abgehauen?
    Ja, redet sie weiter, das war scheiße, aber sie seien seit Jahren zusammen, der Freund und sie, die Geschichte mit Daniel,das habe sie durcheinandergebracht, ziemlich verwirrt, sie habe nicht mit ihm darüber sprechen wollen.
    Okay, sagt er, ohne zu finden, dass es okay ist.
    In dieser Nacht bei Daniel sei ihr plötzlich alles zu eng vorgekommen, sie habe sich in Besitz genommen gefühlt und einfach abhauen müssen. Das sei schwer zu erklären, es habe mit ihrer Familie zu tun.
    Daniel spürt die Kälte in der Kehle schneiden, ballt nun seinerseits die Hände zur Faust, denkt: Was für eine blöde, egozentrische Kuh – aber immerhin ehrlich.
    War Mist, sagt sie, bläst Rauch in die Faust, blickt Daniel ins Gesicht, wirklich blöd, aber wir waren nicht zusammen, du und ich, ich hab dir damals schon gesagt, dass ich nicht mit dir zusammensein will.
    Sie wollte Zeit mit mir verbringen, denkt er, an einen See fahren, mit mir schlafen, mit mir zusammen sein, aber nicht zusammensein.
    Du hättest wenigstens auf eine Mail antworten können, von unterwegs.
    Ja, sie blickt über den See, aber was hätte ich schreiben sollen? Ich habe nicht gewusst, was ich hätte schreiben sollen.
    Sie verstummen, Schweigen macht sich breit.
    Und jetzt? fragt er nach einer Pause, jetzt weißt du, was du sagen willst?
    Sie wirft den Joint auf den Boden, blickt über den See, die anliegenden Gärten, Daniel ins Gesicht, schüttelt den Kopf.
    Er fragt nicht nach dem Freund, der Mann bleibt namenlos, ist schon so lange Dems Freund, denkt Daniel, dass er keinen Namen mehr braucht, einfach nur noch der Freund heißt.
    Vielleicht hätte Fil auch keinen Namen, wenn er ein richtigerVater gewesen wäre; dann würde Daniel den Namen Fil kaum verwendet haben, würde nur sagen: mein Vater.
    Und was machen wir jetzt? fragt er.
    Jetzt sofort oder jetzt allgemein?
    Beides.
    Ich weiß nicht, sie lacht, was meinst du?
    Er zuckt mit den Achseln.
    Sie setzen sich wieder in Bewegung, schlendern den Uferweg weiter, über knackende Eisplatten hinweg, Seewasser schwappt schwerfällig gegen das Kiesbett, ein paar Büschel Gras. Sie sind nicht am selben See wie im Sommer, dem See mit der
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