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Der Durchblicker: Novelle (German Edition)

Der Durchblicker: Novelle (German Edition)

Titel: Der Durchblicker: Novelle (German Edition)
Autoren: Irvine Welsh
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als abstraktes moralisches Prinzip, Avril, als salontheoretisches Konstrukt. Aber du kannst doch nicht leugnen, dass es die reine Freude ist, Angehörige der herrschenden Klasse in Angst und Pein zu sehen.
    – Ich hoffe, dass ihr beiden mich nur aufziehen wollt, sagte sie mitleidig,– ich hoffe es wirklich für euch selbst. Falls nicht, dann seid ihr kranke, vertierte Menschen.
    – Ganz richtig, sagte Darren,– aber dafür behandeln wir andere Menschen wenigstens nicht wie Tiere. Wir rauben Unschuldige nicht aus oder vergewaltigen sie oder serienkillen sie oder lassen sie verhungern. Wir träumen nur davon, den Abschaum zu vernichten, der uns seit Jahren bescheißt. Und was wir auch nicht tun, fügte er abfällig hinzu,– ist, Leuten ihre Unterwäsche klauen.
    Avril meinte, er könnte sie mal, und ließ uns allein. Genau an diesem Punkt begann ich Darren als den Schuldigen, den Wäschedieb, zu verdächtigen.
    Ronnie kam nicht dazu, irgendwen kennenzulernen. Er schlief zwei Tage lang, und wenn er uns mal Gesellschaft leistete, war er praktisch komatös. Dann war es Zeit für ihn, zurückzufahren, weil er sein Ticket fest gebucht hatte. Er nahm ein paar Downers, bevor er an der Victoria Station in den Bus stieg. Ich machte mir nicht die Mühe, ihm nachzuwinken, als der Bus abfuhr; Ronnie war eingeschlafen, kaum dass er sich auf seinen Platz gesetzt hatte. Das Einzige, das er während der Zeit hier gesagt hat, war: Darren … Ich dachte natürlich, er meinte Darren aus der Wohnung, aber dann merkte ich, dass dem nicht so war.– Darren Jackson, gefolgt von einem anerkennenden Nicken, und dann,– Trauzeuge … super, mit einem Neigen des Kopfs und einem Zwinkern. Wenn Ronnie zwinkerte, bestand dieser Akt eher im Öffnen als im Schließen eines Auges.
    Der Monat zog sich hin. Ich freute mich darauf, wieder nach Edinburgh zu kommen, aber nicht so sehr wegen der Hochzeit. Ich kam am Abend vor der Junggesellenfeier in die Stadt und fuhr mit dem Taxi zu meinem Alten.
    Als ich reinkam, war Norma Culbertson mit ihrer Kleinen da. Irgendwas am Haus war anders.
    – Hallo, mein Sohn, sagte mein Dad verlegen,– äh, setz dich. Ich schätze, ich hätte dir das schon früher sagen sollen, aber äh, na ja, wo du doch in London warst und so. Du weißt ja, wie das ist …
    – Hmmh, gab ich zurück und hatte keinen gottverdammten Schimmer, wie was war.
    – Hat Derek, ähm, irgendwas gesagt?
    – Nee …
    – Tja, Derek ist ausgezogen. Er hat jetzt ne Wohnung, in Gorgie. Stewart Terrace. Gar kein schlechtes Haus. Wo sie n doch jetzt in die Verwaltung übernommen haben, musste er zugreifen. Verstehste?
    – Jeff …, drängte Norma.
    – Oh, äh, ja. Die Sache ist die, Sohn: Norma und ich haben beschlossen, zu heiraten, er grinste schwächlich, entschuldigend.
    Norma lächelte geziert und führte mir einen Verlobungsring zur Begutachtung vor. Ich spürte einen dumpfen Schlag in meiner Brust. Das musste doch ein Scherz sein. Norma war eine junge Frau und sah auch nicht schlecht aus. Deek hatte mir mal gestanden, dass er beim Wichsen an sie dachte; das war allerdings schon ne Weile her. Sie war zu jung für Dad; er war alt genug, um ihr Vater zu sein. Immerhin, Dino Zoff spielte im Alter meines Vaters noch europäischen Klubfußball. Aber das war Dino Zoff. Und dies hier war das wirkliche Leben.
    Meine Ma und er.
    Meine Ma die war doch sowieso zu jung für ihn meine Ma seit Jahren weg er heiratet wieder seine Sache, was geht mich das an?
    – Na dann alles Gute zum Geburtstag, stammelte ich –äh, ich mein, herzlichen Glückwunsch …
    Norma fing davon an, wie sehr sie sich wünsche, dass wir gute Freunde würden, und mein Alter ließ eine Tirade gegen meine Mutter ab …
    – Ich will ja nichts gegen sie sagen, aber sie hat euch Jungs sitzen lassen. Euch sitzen lassen und nie mehr wiedersehen wollen. Ne richtige Mutter würde doch sicher ihre Söhne sehen wollen … aber sie nich, nich mal n Brief …
    Mir wurde langsam etwas übel, aber glücklicherweise klingelte es an der Tür, was uns allen weitere Peinlichkeitenersparte. Es war Crazy Col Cassidy, ein Monster aus der Siedlung, der einen Furcht einflößenden Ruf wegen gefährlicher Körperverletzung hatte.– Dein alter Herr da? knurrte er.
    Tja, jetzt gibt’s die Quittung, Daddy … Jetzt wird dir dein Anti-Drogen-Feldzug zum Verderben.
    – Col! tönt mein Dad.– Komm rein, Freund, komm rein! Cassidy schiebt sich an mir vorbei. Mein Alter gibt ihm einen kumpelhaften Klaps
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