Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
Gesichtshälfte leuchtete vor Glück und Erleichterung. Sie trat schüchtern vor.
    »Ich kann wieder schlafen. Und im Lauf der Zeit werde ich vielleicht sogar wieder ohne Albträume schlafen können.«
    Sie ergriff den Rock ihres grauen Ordensgewands und sank vor uns auf die Knie, was mir ziemlich unangenehm war.
    »Schwester Fortuna, einst Annie Clay, sagt euch ihren Dank. Das tun wir alle, aber meiner kommt aus tiefstem Herzen.«
    Ich fasste sie sanft an den Schultern. »Erhebt Euch, Lehensfrau. Kniet nicht vor unseresgleichen.«
    Sie sah mich mit glänzenden Augen an, dann küsste sie mich mit der Seite ihres Mundes, mit der sie noch küssen konnte, auf die Wange. Im nächsten Moment flüchtete sie quer über den Hof dorthin, wo ich die Küche vermutete. Aus diesem Teil der Haci drangen jedenfalls köstliche Düfte zu uns herüber.
    Everlynne sah ihr sanft lächelnd nach, dann wandte sie sich wieder mir zu.
    »Es gibt da einen Jungen …«, begann ich.
    Sie nickte. »Bill Streeter. Ich habe von ihm gehört. Wir gehen nicht in die Stadt, aber manchmal kommt die Stadt zu uns. Freundliche Vögelchen zwitschern uns Neuigkeiten ins Ohr, wenn Ihr versteht, was ich meine.«
    »Das verstehe ich sehr wohl«, sagte ich.
    »Bringt ihn uns morgen, wenn euch der Kopf wieder aufs Normalmaß abgeschwollen ist«, sagte sie. »Wir sind zwar eine Gemeinschaft von Frauen, aber wir nehmen gern auch einen Waisenknaben auf – zumindest bis er so alt ist, sich rasieren zu müssen. Danach wird es für einen Jungen schwierig, mit Frauen zusammenzuleben, und er sollte lieber fort. Aber bis dahin können wir ihn im Rechnen und Schreiben unterweisen – das heißt, wenn er trig genug ist, beides zu lernen. Würdet Ihr sagen, dass er trig ist, Roland, Sohn von Gabrielle?«
    Es war ungewohnt, als Sohn meiner Mutter angesprochen zu werden, aber eigenartig angenehm. »Er ist sehr trig, würde ich sagen.«
    »Das ist gut. Und wir werden bestimmt Arbeit für ihn finden, wenn es Zeit wird, dass er uns verlässt.«
    »Arbeit und ein Stück Land«, sagte ich.
    Everlynne lachte. »Aye, genau wie in der Geschichte vom unerschrockenen Tim. Aber nun wollen wir das Brot miteinander brechen, ja? Und mit Frühlingswein auf den Heldenmut junger Männer anstoßen.«
    Wir aßen, wir tranken, und wir waren recht fröhlich miteinander. Als die Schwestern begannen, das Geschirr abzutragen, nahm Priorin Everlynne mich in ihre Privatgemächer mit. Sie bestanden aus einer winzigen Schlafkammer und einem weit größeren Arbeitszimmer, in dem eine Katze in einem Sonnenstrahl schlief, der über einen riesigen Eichenschreibtisch fiel, auf dem sich Papierstapel türmten.
    »Nur wenige Männer sind jemals hier gewesen, Roland«, sagte sie. »Einen davon kennt Ihr vielleicht. Er hatte ein langes, bleiches Gesicht und trug einen langen, schwarzen Mantel. Wisst Ihr, von wem ich spreche?«
    »Marten Broadcloak«, sagte ich. Aufsteigender Hass ließ das gute Essen in meinem Magen plötzlich sauer werden. Und irgendwie Eifersucht – auch eingedenk meines Vaters, dem Gabrielle von Arten ja Hörner aufgesetzt hatte. »Hat er sie etwa besucht?«
    »Er hat verlangt, sie zu sehen, aber ich habe mich geweigert und ihn fortgeschickt. Erst wollte er nicht gehen, aber ich habe ihm mein Messer gezeigt und ihm erklärt, es gebe in Serenitas weitere Waffen, aye, und Frauen, die damit umgehen könnten. Eine davon sei eine Schusswaffe, habe ich gesagt. Ich habe ihn daran erinnert, dass er tief im Inneren der Haci sei, und ihm geraten, sich auf Schusters Rappen davonzumachen, es sei denn, er könne fliegen. Er hat sich tatsächlich davongemacht, aber zuvor hat er mich noch verflucht, und er hat diesen Ort verflucht.« Sie zögerte, streichelte kurz die Katze und sah dann wieder zu mir auf. »Eine Zeit lang habe ich geglaubt, der Fellmann sei vielleicht sein Werk.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte ich.
    »Ich auch nicht, jetzt nicht mehr, aber das werden wir nie mit Bestimmtheit wissen, nicht wahr?« Die Katze wollte auf den geräumigen Spielplatz von Everlynnes Schoß klettern, aber diese scheuchte sie weg. »Aber eines weiß ich: Er hat mit ihr gesprochen, auch wenn nie jemand wissen wird, ob es nachts am Fenster ihrer Zelle oder nur in ihren schweren Träumen war. Dieses Geheimnis hat die arme Frau mit sich auf die Lichtung genommen.«
    Ich antwortete nichts darauf. Wenn man verwirrt oder verzweifelt ist, dann ist es meistens am besten, nichts zu sagen.
    »Kurz nachdem wir diesen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher