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Der Dunkle Turm 1 - Schwarz

Titel: Der Dunkle Turm 1 - Schwarz
Autoren: King Stephen
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Splitter von der großen Steinsäule der Wirklichkeit abklopfen konnte. Selbst damals schien das trügerische Licht der Wissenschaft (das Wissen, wenn du so willst) nur in einigen hochentwickelten Ländern.
    Doch trotz der unglaublichen Zunahme von Faktenwissen gab es bemerkenswert wenig Einsicht. Revolvermann, unsere Vorfahren bezwangen die Krankheit des Verfaulens, die wir Krebs nennen, sie bezwangen fast das Altern, sie flogen zum Mond…
    (»Das glaube ich nicht«, sagte der Revolvermann unverblümt, worauf der Mann in Schwarz nur lächelte und antwortete: »Das mußt du auch nicht.«)
    … und entdeckten oder erfanden hundert andere wunderbare Errungenschaften. Doch dieser Reichtum an Informationen erzeugte wenig oder gar keine Einsicht. Keine großen Oden wurden über die Wunder der künstlichen Befruchtung geschrieben…
    (»Worüber?«
    »Babys mit tiefgefrorenem Männersperma zeugen.«
    »Bockmist.«
    »Ganz wie du meinst… doch nicht einmal unsere Vorfahren konnten aus dieser Substanz Kinder zeugen.«)
    … oder über die Kutsche, die von selbst fährt. Wenige, wenn überhaupt jemand, schienen das Prinzip der Wirklichkeit verstanden zu haben; neues Wissen führt stets zu noch ehrfurchtgebietenderen Geheimnissen. Größeres physiologisches Wissen über das Gehirn verringert die Möglichkeit, daß die Seele existiert, doch die Natur der Suche macht sie dagegen wahrscheinlicher. Verstehst du? Aber natürlich nicht. Du bist von deiner eigenen romantischen Aura umgeben, du liegst jeden Tag Wange an Wange mit dem Gewöhnlichen. Doch jetzt näherst du dich den Grenzen – nicht des Glaubens, sondern des Verstehens. Du stehst der umgekehrten Entropie der Seele gegenüber.
    Doch zum Prosaischeren:
    Das größte Geheimnis, welches das Universum bereithält, ist nicht das Leben, sondern Größe. Größe umfaßt das Leben, und der Turm umfaßt die Größe. Das Kind, für das Wunder nichts Ungewöhnliches sind, sagt: Vater, was ist über dem Himmel. Und der Vater sagt: Das schwarze Weltall. Das Kind: Und über dem Weltall. Der Vater: Die Milchstraße. Das Kind: Über der Milchstraße. Der Vater: Eine andere Galaxis. Das Kind: Über den anderen Galaxien. Der Vater: Das weiß niemand.
    Siehst du? Die Größe besiegt uns. Für den Fisch ist der See, in dem er lebt, sein Universum. Was denkt der Fisch, wenn er am Maul durch die silberne Grenze der Existenz gerissen und in ein neues Universum befördert wird, in dem die Luft ihn ertränkt und das Licht blauer Wahnsinn ist? Wo große Zweibeiner ohne Kiemen ihn in eine stickige Kiste stecken, ihn mit feuchtem Tang bedecken und sterben lassen?
    Oder man könnte die Spitze eines Bleistifts nehmen und sie vergrößern. Dabei kommt man an den Punkt, wenn einem eine erstaunliche Erkenntnis aufgeht: Die Bleistiftspitze ist nicht fest; sie besteht aus Atomen, die wirbeln und kreisen wie eine Billion dämonischer Planeten. Was uns fest erscheint, ist in Wahrheit nur ein loses Netz, das von der Schwerkraft zusammengehalten wird. Schrumpft man auf die richtige Größe, dann werden die Entfernungen zwischen diesen Atomen zu Meilen, Abgründen, Äonen. Die Atome selbst bestehen aus Atomkernen und kreisenden Protonen und Elektronen. Man könnte noch weiter hinabgehen, zu den subatomaren Teilchen. Und wozu dann? Tachyonen? Nichts. Selbstverständlich nicht. Alles im Universum leugnet das Nichts; es ist unmöglich, an ein Ende der Dinge zu denken.
    Wenn du bis zur Grenze des Universums fallen würdest, würdest du ein Schild mit der Aufschrift SACKGASSE finden? Nein. Du könntest etwas Hartes und Rundes finden, wie ein Kücken das Ei von innen sehen mag. Und wenn du durch diese Hülle hindurchpicken würdest, welches gewaltige und reißende Licht würdest du erblicken, das durch dein Loch am Ende des Raumes hereinscheint? Könntest du hindurchsehen und feststellen, daß unser gesamtes Universum nichts weiter ist als ein Atom in einem Grashalm? Könntest du zu dem Gedanken gezwungen werden, daß du eine Unendlichkeit von Unendlichkeiten vernichtest, wenn du einen Halm verbrennst? Daß die Existenz nicht zu einer Unendlichkeit reicht, sondern zu einer unendlichen Vielzahl von Unendlichkeiten?
    Vielleicht hast du gesehen, welchen Stellenwert unser Universum im Plan der Schöpfung einnimmt – als Atom in einem Grashalm. Könnte es sein, daß alles, was wir wahrnehmen können, vom infinitesimalen Virus bis hin zum fernen Pferdkopfnebel, sich in einem einzigen Grashalm befindet… einem Halm,
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