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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel
Autoren: Andrea Schacht
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Apolloniakraut oder Spatzenhirn. Ganz geheuer war Almut Elsas Wirken nicht. Sie neigte zu Experimenten, probierte gerne neue Rezepturen aus oder wandelte bewährte nach ihren Vorstellungen ab. Allerdings musste man ihr zugute halten, dass sie die Wirkung immer zuerst an sich selbst ausprobierte, bevor sie die Mittel den Leidenden verabreichte. Doch wegen ihrer nicht unbeträchtlichen Körperfülle konnte die Dosis, die sie sich selbst verabreichte, manchmal unerwartete Wirkung bei weniger üppigen Personen zeigen. So hatte ein die Verdauung anregendes Mittel vor kurzem beinahe sämtliche Mitglieder des Konventes für zwei Tage außer Gefecht gesetzt.
    »Was streichst du da herum, Almut. Bring mir nur nichts durcheinander!«
    »Ich dachte nur, mir fällt etwas ein, wie ich dir helfen kann. Sag mal, wie kommst du eigentlich an getrocknete Fledermausohren? Fängst du die Fledermäuse selbst?«
    »Du musst nicht alles wissen! Komm her, lenk mich von den Schmerzen ab, und erzähl mir von dem Weinhändler. Wer ist krank im Haus?«
    »Oh, ein junger Franke aus Burgund, der sich dort aufhält. Er soll das Geschäft kennen lernen. Er hat einen wirklich schlimmen Husten. Ich hoffe, das Zeug, das du ihm gemischt hast, hilft ihm. Er sah aus, als habe er hohes Fieber. Darum habe ich nicht nur ihm, sondern auch dem Hausherren und seiner schönen Dame die Dosierung erklärt, wie du es mir aufgetragen hast. Kennst du die Familie eigentlich?«
    »Die Schwester von Hermann de Lipa, Helgart, war ein paar Mal bei mir. Sie ist eine entfernte Verwandte von unserer Meisterin. Mit der Dame des Hauses scheint sie sich nicht gut zu verstehen.«
    »Dietke ist sehr schön, aber auch ziemlich eitel, glaube ich.«
    »Ist seine zweite!«
    »Mh, ja. Sie ist auch noch recht jung. Und der junge Mann ist auch ganz ansehnlich. Sogar wenn er krank ist.«
    »Soso.«
    Elsa richtete sich etwas auf und blinzelte neugierig. Sie war einer kleinen Skandalgeschichte gegenüber nie abgeneigt, aber Almut ging nicht weiter darauf ein. Ihr war noch etwas eingefallen.
    »Sie möchte deine Lavendel-Tinktur!«
    »Hat sie schon das Gliederreißen?«
    »Nein, der Duft hat ihr gefallen. Er scheint von heute Nacht noch an mir zu haften.«
    »Ich kann nichts riechen!«, schniefte Elsa durch ihre ebenfalls von dem entzündeten Zahn in Mitleidenschaft gezogene Nase. »Aber gegen gutes Geld verkaufe ich ihr alles. Übrigens – hat sie die Arznei bezahlt?«
    »Ähm… ich hab’s vergessen.«
    »Almut! Wir können es uns nicht leisten, die teuren Arzneien zu verschenken. Vor allem nicht an die Reichen! Seit der erzbischöfliche Hof keine Aufträge für feine Handarbeiten mehr erteilt, müssen wir sehen, wie wir zu unserem Geld kommen.«
    »Schon gut, schon gut. Ich gehe morgen oder übermorgen wieder zu ihr hin und bringe ihr die Lavendel-Tinktur. Dann lasse ich mir für beides das Geld geben.«
    Besänftigt nickte Elsa und stöhnte dann noch einmal schmerzlich auf.
    »Übrigens gibt es da noch so ein Monstrum im Haus. Einen Verkrüppelten. Aber gut gekleidet. Er hatte ziemlichen Respekt vor der Herrin des Hauses.«
    »Feuchte mir das Tuch noch einmal an.«
    Kopfschüttelnd nahm Almut das Tuch, das sich die Apothekerin zum Kühlen an die Wange gehalten hatte, und nässte es mit dem Wasser aus dem Krug.
    »Der Zahn muss raus, Elsa.«
    Verbissen schüttelte die Leidende den Kopf.
    »Ich gehe nicht zu dem Quacksalber!«
    Trine hatte die ganze Zeit über ruhig in ihrer Ecke gesessen und langsam den süßen Wecken verspeist, den ihr die mürrische Köchin in einem Anfall von Großzügigkeit zugesteckt hatte. Dabei hatte sie das Gespräch der beiden Älteren mit aufmerksamen Augen verfolgt. Jetzt stand sie auf, kam näher und steckte sich den Zeigefinger in den Mund. Mit einer wackelnden Gebärde zeigte sie, dass sie sehr gut verstanden hatte, worum es ging.
    »Er muss raus, Trine sieht das auch so!«
    Elsa schüttelte den Kopf, was ihr jedoch weitere Schmerzen verursachte.
    »Wirklich, Elsa, du stellst dich an! Du tauschst einen kurzen Schmerz gegen einen langen ein! Das zumindest sagst du deinen Patienten immer!«
    Die Apothekerin seufzte ergeben: »Dann zieh du ihn, Almut!«
    »Ich? O nein. Das kann ich nicht!«
    »Na, wer den sonst?«
    »Thea zum Beispiel!«
    »Thea kann Tote herrichten. So weit bin ich noch nicht.«
    »Rigmundis?«
    »Die sieht zwar wundervolle Visionen, aber ansonsten ist sie blind wie ein Huhn.«
    »Aber Clara…?«
    »Die klappert nur mit den Lidern und
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