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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk
Autoren: Eric Ambler
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unterhalten schienen, das aber so klein war, daß er es nicht erkennen konnte. Im nächsten Augenblick rannten sie auseinander. Dann blieben sie stehen und schauten hinunter zu dem Blumenmeer und den spielenden Kindern. Nichts war zu hören außer den Stimmen der spielenden Kinder im Wind. Plötzlich zitterte der Boden unter seinen Füßen, dann bebte die Erde, tat sich brüllend auf zu einer Spalte und spie ihre Eingeweide in den Himmel, wo sie wie ein Vorhang hängen blieben. Langsam, als trage ihn der Wind, fiel er dann langsam nieder und enthüllte die Szene dahinter. Mit einem Schrei des Entsetzens wurde der Professor wach.
    Ein Scheit war vom Rost gefallen und flackerte heftig. Er starrte einen Moment drauf, noch ganz befangen vom letzten Schreckensbild, das er gerade gesehen hatte. Als er das Scheit auf den Rost zurücklegte, bemühte er sich, seine Gedanken zu ordnen. Was hatte er sich denn da eingebildet? Wie kam er, ein intelligenter und angesehener Wissenschaftler, dazu, die fixen Ideen eines übergeschnappten Hotelgastes ernst zu nehmen? Das war ja absurd. Und doch, wie man’s auch drehte und wendete, Simon Groom entsprach kaum dem Bild eines harmlosen Narren. Dieser kühle, stete, berechnende Blick, die selbstsichere, ruhige, gebieterische Art, das waren alles nicht die Kennzeichen eines Dummkopfes. Er versuchte, sich die ganze Sache aus dem Kopf zu schlagen.
    »Wenn es nun aber doch wahr wäre?«
    Die Frage fraß an ihm, trotz aller seiner Anstrengungen. Nur einmal angenommen, es wäre wahr. Groom hatte gesagt, daß ihm niemand die Geschichte glauben würde, und für den Fall, daß er doch einen fände, so wären die Konsequenzen höchstwahrscheinlich katastrophal. Vielleicht war es doch besser, daß Cator & Bliss die Sache in die Hand nahmen und sie nach alter Väter Sitte und zum Besten ihrer Aktionäre erledigten. Eine solche Kraft wie die Atomkraft wäre auf jeden Fall in ihren Händen besser aufgehoben als in den Händen der Regierung von Ixanien. Cator & Bliss würden die neu erworbene Macht wenigstens verteilen, das heißt, sie dem Meistbietenden verkaufen. Die Regierung von Ixanien hingegen würde sie mit fast hundertprozentiger Sicherheit dazu benutzen, ihre territorialen Forderungen bei ihren unglücklichen Nachbarstaaten durchzusetzen.
    »Das Gleichgewicht der Kräfte muß erhalten bleiben«, murmelte der Professor vor sich hin.
    Hatten die Leute das nicht schon seit Jahrhunderten gesagt? Hatte nicht Kardinal Wolsey, das Heinrich dem Achten als Außenpolitik vorgeschrieben? Hatte nicht jeder europäische Staatsmann seit jener Zeit danach gestrebt? Und strebten sie nicht immer noch danach, mit all ihren Pakten, Verträgen und Bündnissen? Und doch hatte es immer wieder Kriege gegeben, und es sah ganz so aus, als ob es immer wieder Kriege geben würde. Was konnte man auch besseres erwarten, solange der Krieg noch ein gangbares Mittel war, internationale Auseinandersetzungen zu regeln? Was konnte man erwarten, solange Menschen, die Frieden wollten, glaubten, Kriegsvorbereitungen seien die beste Garantie für die nationale Sicherheit? Was konnte man denn von einem Gleichgewicht der Kräfte erwarten, das durch Länder, Soldaten und Waffen, mit andern Worten durch Geld reguliert wurde. Kriege kündigten sich durch Ultimatums, Haßausbrüche und defensive Mobilmachungen an, aber angezettelt wurden sie von jenen, die die Macht hatten, das Gleichgewicht zu stören, mit internationalem Geld und Wertpapieren zu intrigieren und zu schmieren; von jenen, die zum Zwecke der Befriedigung ihrer Privatinteressen ökonomische und soziale Situationen schufen, die nach Krieg geradezu schrien. Der größte Posten in jedem Staatshaushalt war für vergangene oder zukünftige Kriege. Es hatte ganz den Anschein, als sei die Hauptbeschäftigung und das einträglichste Geschäft einer jeden Regierung das Kriegführen.
    Was tun? Eins war klar: es lag am System. Das Geldsystem machte das Schmiergeldsystem erst möglich. Hier mußte eine radikale Änderung eintreten. Aber während die Völker dieser Erde lernten, wie man es anders und besser machen konnte, würde die alte Ordnung zusammenbrechen und sie allesamt erschlagen. Zum Beispiel diese Erfindung von Kassen. Die Wissenschaft wartete nicht, bis sich die sozialen Verhältnisse so weit gebessert hatten, daß sie ein reiner Segen wäre. In einer andern, besseren Weltordnung hätte diese Erfindung einem guten Zweck dienen können, nämlich der Energieversorgung. So aber
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