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Der Duft von Orangen (German Edition)

Der Duft von Orangen (German Edition)

Titel: Der Duft von Orangen (German Edition)
Autoren: Megan Hart
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vergessen zu können, aber nicht, mich zu erinnern. Es gab keine langfristigenNachwirkungen – zumindest keine körperlichen. Und an die Episoden gewöhnte ich mich sehr schnell.
    Meine Eltern dachten, sie hätten mich beinahe verloren, und nichts, was ich ihnen über diese Zeit in der Dunkelheit erzählte, konnte sie von etwas anderem überzeugen. Es hatte nicht einmal ansatzweise die Gefahr bestanden, dass ich sterbe. Doch alle meine damaligen Versuche, meiner Mutter das zu erklären, damit sie sich wieder ein wenig entspannte, waren fruchtlos. Sie weigerte sich, mir zuzuhören. Ich schätze, ich konnte ihr keinen Vorwurf daraus machen. Ich hatte keine Ahnung, wie es war, ein Kind zu lieben, geschweige denn, zu fürchten, es zu verlieren.
    „Es tut mir leid“, sagte sie.
    Das Gute war, dass meine Mutter wusste, wenn sie zu weit ging. Sie hatte ihr Bestes gegeben, damit ich nicht zu einem ängstlichen Kind heranwuchs, selbst wenn sie dazu ihre Fingernägel bis auf die Nagelhaut abkauen musste und weit vor ihrem vierzigsten Geburtstag graue Haare bekommen hatte. Sie erlaubte mir, alles zu tun, was für meine Unabhängigkeit wichtig war, obwohl sie jede Sekunde davon hasste.
    „Du könntest ab und zu herkommen, weißt du. Es ist wirklich nicht so weit. Wir könnten zusammen Mittagessen gehen oder so. Nur du und ich. Ein Mädelstag.“
    „Ja, klar. Das könnten wir machen.“ Sie klang schon ein wenig fröhlicher.
    Ich glaubte allerdings nicht, dass sie meine Einladung wirklich annehmen würde. Meine Mom mochte es nicht, alleine lange Strecken mit dem Auto zu fahren. Wenn sie käme, würde sie meinen Dad mitbringen. Was nicht heißen soll, dass ich meinen Dad nicht mochte oder ihn nicht sehen wollte. Auf manche Weise kam ich sogar besser mit ihm klar, weil er seine Ängste für sich behielt. Aber mit ihm zusammen wäre es kein Mädelstag, und außerdem wurde er immer schnell unruhig, wenn der Besuch seiner Meinung nach zu lange dauerte und er lieber zu Hause in seinem gemütlichen Sessel vor dem Fernseher säße. Ich habe bis heute kein Kabelfernsehen.
    „Ich habe ihn vor ein paar Tagen gesehen, Emm.“
    Ich erstarrte in der Bewegung, ein großformatiges Buch über Kathedralen in der Hand. Ich würde die Regalbretter neu anordnen müssen, wenn ich dieses Buch hochkant hineinstellen wollte. Es war dazu gemacht, auf dem Couchtisch zu liegen, gesehen zu werden. Ich blätterte durch die Seiten, überlegte, ob ich es wieder verkaufen sollte. „Wen?“
    „Tony“, sagte meine Mom ungeduldig. „Um Himmels willen, Mom!“
    „Er sah gut aus. Und er hat nach dir gefragt.“ „Das glaub ich gerne“, sagte ich ironisch.
    „Ich hatte das Gefühl, er wollte wissen, ob … ob du dich mit jemandem triffst.“
    Ich unterbrach das Auspacken für einen Moment, in der Hand ein weiteres schweres Buch. Ein Flohmarktfund. Ich konnte Schnäppchen einfach nicht widerstehen. Und Bücherschnäppchen schon gar nicht. Selbst wenn es um Themen ging, die mich nicht im Geringsten interessierten. Ich dachte immer, dass ich die schönsten Bilder heraustrennen und rahmen lassen könnte, um sie in meiner Wohnung aufzuhängen. Was der ultimative Beweis dafür war, dass ich wirklich über keinerlei Kunstverständnis verfügte.
    „Wie kommt er auf die Idee?“
    „Ich weiß es nicht, Emm.“ Pause. „Und, hast du jemanden?“
    Ich wollte gerade Nein sagen, da blitze vor meinem inneren Auge das Bild eines schwarzen Mantels und eines gestreiften Schals auf. Der Boden unter mir neigte sich ein wenig. Ich umfasste den Telefonhörer fester. Das Buch war plötzlich zu schwer für meine verschwitzte Hand. Ich ließ es fallen.
    „Emm?“
    „Alles gut, Mom. Ich habe nur gerade ein Buch fallen lassen.“
    Keine wirbelnden Farben, kein Zitrusgeruch, der in meinen Nasenhöhlen brannte. Mein Magen zog sich ein wenig zusammen, aber das konnte von dem italienischen Essen kommen, dass ich vorhin zu mir genommen hatte. Es war schon ein bisschen zu lang im Kühlschrank gewesen.
    „Das wäre gar nicht schlecht. Also wenn du jemanden kennengelernt hättest. Ich finde, es ist an der Zeit.“
    „Ja, ich werde jeden Mann, den ich treffe, wissen lassen, dass meine Mom meint, ich solle kein Single mehr sein. Das ist bestimmt ein guter Weg, um eine Verabredung zu bekommen.“
    „Sarkasmus ist kein attraktiver Wesenszug, Emm.“
    Ich lachte. „Mom, ich muss jetzt Schluss machen, okay? Ich will noch diese Kisten auspacken und Wäsche waschen, bevor ich heute Abend
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