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Der Duft von Orangen (German Edition)

Der Duft von Orangen (German Edition)

Titel: Der Duft von Orangen (German Edition)
Autoren: Megan Hart
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„Großes Ehrenwort. Alles ist gut.“
    „Ich wünschte, du wärst nicht so weit weggezogen.“ Die Stimme meiner Mutter am anderen Ende der Leitung klang gereizt. Das war normal. Erst wenn sie anfing, ängstlich zu klingen, musste ich mir Sorgen machen.
    „Vierzig Minuten sind überhaupt nicht weit weg. So wohne ich näher an meiner Arbeit, und außerdem habe ich ein tolles Haus.“
    „In der Stadt!“
    „Oh, Mom.“ Ich musste lachen, auch wenn ich wusste, dass das ihre Stimmung nicht verbessern würde. „Harrisburg ist nur theoretisch eine Stadt.“
    „Und dann noch mitten im Zentrum. Ich habe in den Nachrichten gehört, dass es nur wenige Straßen von dir entfernt eine Schießerei gegeben hat.“
    „Ach ja? Und in Lebanon hat es letzte Woche einen Mord mit anschließendem Selbstmord gegeben. Wie weit ist das noch mal von dir entfernt?“
    Meine Mom seufzte. „Emm. Sei bitte ernst.“
    „Ich bin ernst, Mom. Ich bin einunddreißig Jahre alt. Es war an der Zeit für mich, diesen Schritt zu gehen.“
    Sie seufzte. „Ich schätze, du hast recht. Du kannst nicht immer mein Baby sein.“
    „Ich bin schon seit ziemlich langer Zeit nicht mehr dein Baby.“
    „Ich würde mich nur wohler fühlen, wenn du nicht alleine wärst. Es war besser, als du und Tony …“
    „Mom“, unterbrach ich sie genervt. „Tony und ich haben aus vielen guten Gründen Schluss gemacht, okay? Hör bitte auf, ihn andauernd wieder zum Thema zu machen. Du hast ihn nicht mal sonderlich gemocht.“
    „Nur weil ich fand, dass er sich nicht gut genug um dich gekümmert hat.“
    Damit hatte sie tatsächlich recht gehabt. Nicht dass ich so viel Fürsorge benötigte, wie sie glaubte. Aber ich wollte nicht mit ihr über meinen Exfreund sprechen. Nicht jetzt … und eigentlich niemals.
    „Wie geht es Dad?“, fragte ich stattdessen, damit sie über den anderen Menschen in ihrem Leben sprechen konnte, über den sie sich auch mehr Sorgen machte, als nötig war.
    „Oh, du kennst doch deinen Dad. Ich sage ihm immer, er soll zum Arzt gehen und sich gründlich durchchecken lassen, aber er tut es einfach nicht. Er ist jetzt neunundfünfzig, weißt du.“
    „Du tust gerade so, als wäre das uralt.“
    „Zumindest ist es nicht jung“, erwiderte meine Mom.
    Ich lachte und klemmte das Telefon zwischen Schulter und Ohr ein, während ich eine der großen Umzugskisten öffnete, die ich in einem der ungenutzten Zimmer untergestellt hatte. Ich war dabei, Bücher auszupacken. Ich wollte aus diesem Raum meineBibliothek machen und hatte alle meine Bücherregale aufgestellt und abgestaubt. Jetzt musste ich sie nur noch füllen. Das war eine Aufgabe, von der ich wusste, dass ich froh wäre, wenn ich sie erledigt hatte, und doch schob ich es seit Monaten vor mir her.
    „Was tust du?“, wollte meine Mom wissen.
    „Bücher auspacken.“
    „Oh, sei vorsichtig, Emm. Du weißt, das kann Staub aufwirbeln.“
    „Ich habe kein Asthma, Mom.“ Ich legte die Lage Zeitungspapier beiseite, die auf den Büchern gelegen hatte. Ich hatte die Bücher nicht so eingepackt, wie sie nachher auf dem Regal stehen sollten, sondern so, wie sie am besten in die Kiste passten. Dieser Karton hier sah aus, als wenn er hauptsächlich Coffeetable-Books enthielt, die ich günstig erworben oder geschenkt bekommen hatte. Bücher, die ich immer schon mal hatte anschauen wollen, aber dann doch nie dazu kam.
    „Nein. Aber du weißt, dass du vorsichtig sein musst.“
    „Mom, komm schon. Es reicht.“ Langsam wurde ich wütend.
    Meine Mom war schon immer eine Glucke gewesen. Mit sechs Jahren bin ich auf dem Spielplatz der Schule vom Klettergerüst gefallen. Das war noch zu einer Zeit, in der die Schulen keinen Mulch oder ein anderes weiches Material zur Polsterung des harten Bodens auslegten. Andere Kinder brachen sich bei so etwas einen Arm oder ein Bein. Ich brach mir den Kopf.
    Beinahe eine Woche lang lag ich im Koma – die Ärzte waren sich nicht einig, ob ein Gehirnödem oder eine Gehirnschwellung dafür verantwortlich war. Meine Eltern standen kurz davor, einer experimentellen Operation am offenen Hirn zuzustimmen, als ich meine Augen öffnete, mich aufsetzte und nach einem Eis verlangte.
    Die gestörte Koordinationsfähigkeit, die die Ärzte vorhergesagt hatten, trat genauso wenig ein wie der Verlust von Gefühlen in einer oder mehreren Extremitäten. Ich litt auch nicht unter Gedächtnisverlust oder erkennbaren Gehirnschäden. Wenn überhaupt hatte ich eher das Problem, etwas
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