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Der Duft Der Wüstenrose

Der Duft Der Wüstenrose

Titel: Der Duft Der Wüstenrose
Autoren: Beatrix Mannel
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Kloster, wo sie keinerlei Freundinnen, sondern in der Oberin Seraphina nur eine bösartige Feindin gehabt hatte. Keine Familie, nicht einmal eine Geschichte, nur ihr Glasperlenarmband. Deshalb hatte sie ihre wenige freie Zeit und die vielen Nächte, in denen sie von Albträumen aufgeschreckt worden war, auch damit verbracht, sich für jede einzelne der einundzwanzig Perlen ständig neue Geschichten auszu spinnen. Geschichten, die sich um ihre Herkunft und um ihre Eltern rankten, von denen sie nichts wusste, Geschichten, in denen sie Geschwister hatte und ein Zuhause.
    Fanny hatte ihr Glück kaum fassen können, als schließlich ein Mensch das Kloster betrat, der ihr ebenfalls eine Geschichte zu den Perlen erzählen konnte. Eine wahre Geschichte, die ihren Traum von einer Familie hatte näher rücken lassen und sie letztendlich auf dieses Schiff mit Ziel Afrika geführt hatte.
    »Vergiss all diese Fantastereien, was du brauchst, ist ein Gefährte, mit dem du deine eigene Familie gründen kannst. Vergiss die Vergangenheit, wie alle, die auswandern, und fang in Afrika ganz neu an.« Ja, Charlotte war sehr über zeugend gewesen. »Niemand wird etwas merken, du nimmst meine Papiere, meine Truhen und all seine Briefe. Er hat mich nie gesehen, warum sollte er daran zweifeln, dass du nicht die bist, die er erwartet?«
    Nach Charlottes Tod hatte Fanny dann Ludwigs Briefe gelesen und viel besser verstanden, warum ihre Freundin so besessen davon war, ihn nicht zu enttäuschen. Jeder einzelne Brief war so liebevoll und romantisch, dass Fanny beim Lesen Herzklopfen bekommen und tatsächlich begonnen hatte, von einer Hochzeit mit diesem liebenswürdigen Unbekannten zu träumen.
    Während Fanny ihren Gedanken nachgehangen hatte, waren Himmel, Meer und Küste unfassbar schnell grau wie staubiges Zinn geworden, dann grünlich, und plötzlich schillerte alles noch einmal in prächtigem Rosa, bevor es schlagartig dunkel wurde.
    Wenn die Sonne wieder aufgeht, dann ist es so weit, dachte Fanny. Und der einzige Mensch, dem sie morgen beim Anlanden aus dem Weg gehen musste, war die dicke Maria von Imkeller, die sich ihnen am Anfang der Reise ständig aufgedrängt hatte, weil sie süchtig nach Klatsch war. Zum Glück war auch Maria lange krank gewesen und deshalb hoffentlich unsicher darin, wer von ihnen beiden denn gestorben war.
    Fanny tastete sich über den schwankenden Dampfer zurück in ihre Kabine, wo sie sich für die Nacht fertig machte.
    Nachdem sie ein Gebet für Charlotte gesprochen hatte, begann sie sich vorzustellen, wie der fantasievolle Briefeschreiber wohl aussehen würde. Auf keinen Fall sollten seine Augen sein wie die von Schwester Seraphina, grau wie schmutziger Schnee, sondern freundlich, wie die von Char lotte, braun und glänzend. Sein Haar war ihr egal, auch eine Glatze wäre in Ordnung. Aber er sollte oft und viel lachen. Und er sollte so stattlich sein wie die Offiziere auf dem Schiff. Plötzlich schob sich die Vision eines feisten und klebrigen Mannes vor ihre Augen, der wie ein Sack schwit zende Butter in der Sonne überall feuchtfettige Flecken hinterließ. Sie schüttelte sich – nein, das war nur ihre Angst. Ludwig war ein junger Arzt, der beim Militär gedient hatte und mit oder ohne Uniform sicher großartig aussah. Bei diesem Gedanken berührte sie wie immer vor dem Einschlafen ihre Glasperlen, und dann schlief sie ein.
    Mitten in der Nacht schreckte sie mit rasendem Herzschlag aus einem ihrer merkwürdigen Träume auf.
    Sie war mit Charlotte auf einem Maskenball an einem breiten Sandstrand gewesen, auf den die Wellen aus allen Richtungen heranrasten und dann krachend umschlugen. Dort, wo sonst die Augenöffnungen der Masken waren, befanden sich orange flackernde Glasaugen in den Schattierungen ihrer Glasperlen. Das Orchester bestand aus sieben Klosterschwestern, und Seraphina dirigierte Walzer, eintönig und emotionslos wie eine mechanische Spieluhr. Der breite feuchte Sandstrand war über und über beschrieben mit den immer gleichen Sätzen. Sätze aus einem Brief von Ludwig.
    Und wenn Du erst einmal hier bist, werden wir keiner Worte mehr bedürfen, denn unsere Küsse sprechen dann direkt von Herz zu Herz. Mein Lieb, Charlotte, wie sehr ersehnen meine Hände Dich, meine Lippen küssen Deine Briefe und wünschen sich die Wärme Deines Mundes, meine Augen stellen sich die Deinen vor und begehren nichts mehr, als für immer in ihnen zu versinken.
    Doch beim Tanzen über den Sand verwischten die Säume der
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