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Der Duft Der Wüstenrose

Der Duft Der Wüstenrose

Titel: Der Duft Der Wüstenrose
Autoren: Beatrix Mannel
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verrückter junger Hund benehmen als eine Dame von Welt. Aber genau das hätte Fanny gefallen. Sie wischte über die Augen, die sich unwillkürlich mit Tränen füllten. Charlotte fehlte ihr so sehr.
    Wie würde es sich anfühlen, mit ihrem Namen gerufen zu werden? Auch wenn Franziska nur der Name war, auf den die Nonnen sie als unbekannten Säugling vor zwanzig Jahren getauft hatten, so war sie doch an ihn gewöhnt.
    Plötzlich schnellte direkt neben dem Schiff eine riesige, graublaue Schwanzflosse aus dem Wasser empor. Fanny hielt überrascht die Luft an, gespannt, ob sie endlich einen Wal ganz sehen würde. Doch die Flosse verschwand mit einem gewaltigen Klatschen sofort wieder im Ozean. Wie oft hatten Charlotte und sie nach Walen Ausschau gehalten, und jetzt, so nah am Ziel, tauchte einer auf! Das war sicher auch ein gutes Omen.
    Du bist nicht ganz bei Trost, ermahnte sie sich, du solltest damit aufhören, überall Zeichen zu wittern wie eine abergläubische alte Jungfer!
    Eine Männerstimme drang durch das Tosen des Windes an Fannys Ohr und riss sie aus ihren Gedanken. Hastig schlug sie nun doch ihre Röcke herunter und versuchte sie dort zu halten, was angesichts des schwankenden Schiffes nicht ganz einfach war. »Haben Sie den Wal gesehen?«, fragte der Offizier, der mit respektvoll gezogener Schirmmütze an sie herangetreten war. »Das ist ungewöhnlich, normaler weise schwimmen sie nie so nah an diesen Teil der Küste heran. Es kann gefährlich für sie werden, denn manchmal verlieren sie ihre Orientierung, und dann verenden sie an der Skelettküste. Niemand weiß, wie es dazu kommt.«
    So viel also zu den guten Vorzeichen, dachte Fanny und versuchte die Gänsehaut zu ignorieren, die ihr den Rücken hinunterlief.
    »Zum Glück sind wir keine Wale und verfügen über jede Menge Technik, die es uns erlaubt, morgen früh dort anzulanden.« Er deutete mit der ausgestreckten Hand zur Küste hinüber.
    »Dort drüben?«, fragte Fanny verblüfft nach. So farbenprächtig die Küste im Sonnenuntergang auch war, sie konnte weder einen Hafen noch eine Mole oder andere Spuren von menschlichem Leben entdecken.
    »Tatsächlich, Madame. Dafür haben wir bereits in Liberia, im Hafen von Monrovia, die Crew-Neger an Bord genommen. Sie sind Spezialisten darin, die Boote durch die Brandung zum Strand zu steuern.«
    »Aber dort drüben ist doch rein gar nichts! Oder liegt Swakopmund vielleicht in einer Senke, die man von hier nicht sehen kann?«
    Der Offizier lächelte, setzte seine Schirmmütze wieder auf, tippte an den Rand der Mütze und deutete eine Verbeugung an.
    »Das werden Gnädigste morgen früh dann schon sehen.«
    Fanny wollte ihm nachgehen, aber der starke Seegang zwang sie, sich festzuhalten. Es war derselbe Offizier, der das Totengebet gesprochen hatte, bevor man Charlottes Leiche eingenäht in einem Jutesack über Bord geworfen hatte. Es hatte nichts mehr zum Beschweren des Sacks ge geben, weil vor Charlotte schon zwei andere Passagiere gestorben waren. Mit Grauen erinnerte sich Fanny daran, wie verloren der puppenhaft winzige Sack auf den Wellen ge tanzt hatte, bevor er schließlich strudelnd versunken war. Es schien ihr unbegreiflich, dass ihre energiegeladene Freundin wirklich tot sein sollte. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte jemand seine Geheimnisse mit ihr geteilt, sich Sorgen um Fanny gemacht und Anteil genommen.
    »Du wirst als Lehrerin an der rheinischen Missionsschule in Okahandja genauso unfrei sein wie im Kloster«, hatte Charlotte ihr wieder und wieder gepredigt, während sie in ihrer Koje lag und immer mehr an Kraft verlor. »Und glaube bloß nicht, die Protestanten wären auch nur einen Deut besser als die Katholiken. Im Gegenteil, ich sage dir, sie sind noch viel strenger und intoleranter. Wenn du aber jetzt die Möglichkeit nutzt und meinen Verlobten heiratest, dann kann er dir bei deiner Suche helfen. Er muss ein groß zügiger Mann sein, er war schließlich bereit, mich zu heiraten, obwohl es diesen Skandal in meiner Familie gab.«
    Je kränker Charlotte wurde, desto eindringlicher redete sie auf Fanny ein. »Man heiratet doch sowieso nicht den Mann aus Fleisch und Blut, sondern nur die Vorstellung, die man sich von ihm macht. Erst in der Ehe findest du heraus, wer dieser Mann wirklich ist. Versprich es mir. Er ist ein guter Mann, und du bist ein guter Mensch. Ich bitte dich. Tu’s für mich.« Kurze Zeit später war sie tot, und Fan ny fühlte sich plötzlich noch einsamer als jemals im
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