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Der Duft Der Wüstenrose

Der Duft Der Wüstenrose

Titel: Der Duft Der Wüstenrose
Autoren: Beatrix Mannel
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prächtigen Ballroben die Schrift. Immer wenn ein Kleid die Schrift berührte, wurden die Buchstaben blutig, verloren die Form und begannen zu zerfließen. Je mehr von der Schrift verwischt wurde, desto blutiger wurde der Sand, das Blut stieg von den Säumen in die Kleider hoch und verfärbte alles dunkelrot. Das Schleifen der Kleider auf dem Sand und der mechanische Walzer vermischten sich und dauerten eine quälend lange Zeit an. Fanny wollte weglaufen, aber sie konnte nicht, sie musste sich drehen, wie die Ballerina auf einer Spieldose, und der Sand wurde zu Blut, das immer höher stieg und ihr Kleid tonnenschwer machte. Als es schon an ihrer Taille angekommen war, führte Charlotte einen Mann mit einer weißen Maske zu ihr und raunte ihr ins Ohr: »Fanny, du heiratest doch sowieso keinen Mann aus Fleisch und Blut.« Mein Retter, dachte Fanny. Mein Retter. Als sie Charlotte danken wollte, war diese davongeflogen. Der Mann zog sie an sich und nahm seine Maske mit großer Geste ab. Doch darunter befand sich eine weitere Maske. Eine grauenhafte, schwarz glänzende Maske, die einen Widderkopf darstellte.
    Fanny war schweißgebadet aufgewacht, mit dem Geruch von Blut in der Nase, dem Geräusch der schleifenden Ballkleider im Ohr und dem Widderkopf vor ihrem inne ren Auge. Nachdem sie sich etwas gefasst hatte, zermarterte sie sich den Kopf, warum sie gerade jetzt einen ihrer Albträume hatte. Morgen würde ihr neues Leben beginnen, ein Leben ohne diese Albträume.
    Sie hatte etwas von dem lauwarmen Wasser auf ihrem Nachttisch getrunken und nach den Briefen von Ludwig gegriffen, um sich zu beruhigen.
    Alles steht schon für meine liebe Braut bereit, ja ich habe sogar unser Hauspersonal um drei Eingeborene verstärkt, damit es Dir an nichts fehlt.
    Dein neues Zuhause unter dem blauen afrikanischen Himmel, dem schönsten Himmel der Welt, ist geschmückt wie für eine Prinzessin. Denn das sollst Du für mich sein. Nicht nur meine Herzensfrau und mein Kamerad, nein, darüber hinaus möchte ich Dein Dich feurig anbetender Prinz sein, der nicht müde werden wird, Deine Schönheit und Klugheit zu preisen.
    Nun schiltst Du mich bestimmt angesichts all meiner Worte, die mir vom Herzen in die Feder strömen, doch mach Dir keine Sorgen, kein Patient muss deshalb leiden, nein, ganz im Gegenteil, meine Zuversicht überträgt sich auch auf diese, sodass sich unser gesamter Haushalt in freudiger Erwartung befindet.
    Wie immer bezauberten sie seine Worte, es war herrlich, so sehnlichst erwartet zu werden. Es war genau diese Sehnsucht, die seine Briefe zu einem aufregenden Versprechen machten, das in ihren Augen viel schöner war als alles, was sie bisher über Afrika gehört hatte, schöner als Zebras, Giraffen, Elefanten und Palmen.
    Trotzdem schlief sie erst wieder ein, als draußen schon die Morgendämmerung anbrach.
    Wenige Stunden später wurde sie vom aufgeregten Treiben an Bord geweckt. Als sie vollkommen übermüdet aus dem winzigen Bullauge nach draußen sah, stellte sie enttäuscht fest, dass dicker Nebel das Schiff umhüllte. Doch die Männer schien das nicht an ihrer Arbeit zu hindern, denn sie brüllten Kommandos, Gegenstände wurden über das Deck gezerrt, es rumpelte an allen Ecken und Enden.
    Fanny beschloss, ihren Traum endgültig zu vergessen, und beeilte sich mit dem Anziehen. Sie hatte zwei Jahre lang eisern gespart und sich für Deutsch-Südwest zwei weiße Kleider aus leichtem Baumwollmusselin nähen lassen sowie ein Reitkleid, Wäsche und ein zweites Korsett. In dem Kursus der Frauenkolonialschule in Witzenhausen, bei dem sie Charlotte vor über einem Jahr kennengelernt hatte, war immer wieder darauf hingewiesen worden, dass es zwar sehr heiß im Schutzgebiet war, dies aber kein Grund für die deutsche Frau sein sollte, sich gehen zu lassen oder gar wie die Hottentottinnen herumzulaufen.
    Damit war Fanny mehr als einverstanden. All die Jahre im Kloster hatte sie es verabscheut, in einem lose hängenden Sack herumlaufen zu müssen, und sie genoss es, endlich wie eine Frau auszusehen. Sie fand, das Einschnüren brachte einem zu Bewusstsein, dass man einen Körper hatte, und sie liebte es, diesen Körper mit weichen Stoffen zu umhüllen.
    Fanny strich über den cremefarbenen Rock aus schimmerndem Baumwollsatin mit den breiten Spitzenbordüren und dachte daran, wie Charlotte ihr mit einem wissenden Grinsen unterstellt hatte, sie würde für ein schönes Kleid glatt über Leichen gehen.
    Plötzlich hörte sie in ihrem
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