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Der Duft Der Wüstenrose

Der Duft Der Wüstenrose

Titel: Der Duft Der Wüstenrose
Autoren: Beatrix Mannel
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Kopf wieder das Geräusch von den schleifenden Ballroben mit der Walzermusik, und sie bekam trotz der Hitze eine Gänsehaut. Höchste Zeit, an die frische Luft zu kommen, vergiss den Traum, Fanny. Sie beeilte sich, die Manschettenknöpfe der bauschigen Keu lenärmel zu schließen und den breitkrempigen Hut auf ihrem widerspenstigen, krausen schwarzen Haar zu befestigen. Sie hatten beide die gleiche Haarfarbe gehabt, allerdings war Charlottes Haar glatt und glänzend wie Seide. Ihre Figuren waren jedoch sehr unterschiedlich. Fanny begann, ihre Truhe zu packen, hielt inne und stopfte dann kurz entschlossen ihre wenigen Sachen in die Truhe von Charlotte, deren Eisenbeschläge mit einem Monogramm versehen waren. Ganz nach oben packte sie den Brief an Charlottes Eltern, den Charlotte in ihren letzten Stunden diktiert hatte. Ihnen müssen wir die Wahrheit sagen, hatte Charlotte mit letzter Kraft geflüstert, das bin ich ihnen schuldig. Nachdenklich betrachtete Fanny den Brief. Egal, ob sie Charlottes Versprechen halten würde oder nicht, sie musste diesen Brief einem der Offiziere übergeben, damit sie ihn zurück nach Deutschland brachten. Sie nahm den Brief und begab sich an Deck. Mittlerweile hatte der Wind den Nebel vertrieben, und die Sonne schien unbarmherzig vom Himmel herab. Niemand war zu sehen, aber der starke Wind wehte vom oberen Vorderdeck Fetzen von Ge lächter und Schreie in Fannys Richtung. Neugierig schlenderte Fanny hinüber und war überrascht von dem Schauspiel, das sich ihr bot.
    Man hatte eine Seilwinde aufgebaut, an deren Ende ein riesiger geflochtener Korb aus Bambus hing, in dem eine korpulente Frau saß. Fanny erkannte Maria von Imkeller – ausgerechnet. Fanny hoffte, dass sie ihr in Deutsch-Südwest nie wieder begegnen würde. Jedes Mal, wenn sich der Korb im Wind ein wenig bewegte, kreischte Maria schrill wie zehn Papageien, womit sie die gesamte Mannschaft zum Grölen brachte.
    Und dabei sieht sie noch aus wie ein verkleideter Gorilla im Käfig, dachte Fanny und hatte zum ersten Mal seit Charlottes Tod das Verlangen, laut und heftig zu lachen. Doch sie beherrschte sich. Sie hielt ihren Hut fest, damit er trotz diverser Hutnadeln nicht davonflog, und sah gespannt dabei zu, wie der Korb über Bord gezogen und dann in eine kleine Schaluppe hinabgelassen wurde. Dieses schwierige Unterfangen wurde durch die heftige Brandung zusätzlich erschwert. Unten tanzte das kleine Boot machtlos auf den Wellen, und oben schwankte der Korb mit Maria im Wind derart hin und her, dass die Schwarzen die allergrößte Mühe hatten, ihn in das Boot zu bekommen. Sechs Mann versuchten, den Korb mit Tauen genau über das Boot zu dirigieren. Fanny wurde es schon beim Hinsehen übel, und sie fragte sich, wie die Männer es schafften, dabei ihr Gleichgewicht zu halten. Obendrein spritzte von allen Seiten Gischt in das schaukelnde Boot.
    »Die Damen werden so in das Boot hinabgelassen, es ist sicherer.« Der Offizier von gestern Abend war aufgetaucht und stand dicht neben ihr. »Sie sind die Nächste.«
    Ganz egal, wie viel Angst ich habe, dachte Fanny, und wie schlecht es mir wird, ich werde auf keinen Fall so ein Schauspiel abgeben wie Frau von Imkeller.
    »Und unsere Truhen?«
    »Darum kümmern wir uns später. Zuerst müssen wir die Passagiere von Bord bringen.«
    Fanny reichte dem Offizier den Brief an Charlottes Eltern und bat ihn, dafür zu sorgen, dass er seine Empfänger erreichte. Er salutierte und versicherte ihr, dass ihr Wunsch Ehrensache für ihn sei. Er steckte den Brief in seine Jackentasche und nickte Fanny zu.
    Mit einem lauten Rums plumpste der Käfig mit Maria von Imkeller unten auf das Boot. Ihr Kreischen war jetzt nur noch gedämpft zu hören, doch Fanny konnte sehen, wie sie die Männer an Bord anschrie, und als man ihr aus dem Korb half, verteilte sie zum Dank freigebig Ohrfeigen. Das passte zu Maria von Imkeller, die sich als zukünftige Königin von Deutsch-Südwest gab, nur weil ihr Mann in Windhuk angeblich Bürgermeister war.
    Fanny konnte an Schlägen nichts Königliches finden. Es war nur eine besonders erbärmliche Art, Macht auszuüben, und erinnerte sie mit Ekel an Seraphina, die sie im Namen Gottes schonungslos gezüchtigt hatte. Weg damit, weg mit alldem, ermahnte sich Fanny. Ich bin jetzt am anderen Ende der Welt. Einer Welt voller Sonne und voll aufregender Möglichkeiten.
    Der Offizier kam und führte sie zum bereits wieder hochgezogenen Korb. Fanny setzte sich hinein, und weil sie es
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