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Der Duft Der Wüstenrose

Der Duft Der Wüstenrose

Titel: Der Duft Der Wüstenrose
Autoren: Beatrix Mannel
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wieder an ihnen. Fanny drückte sich dichter an den Mann, sodass sie fühlen konnte, wie sich sein Bauch beim Atmen bewegte. Sein Geruch verwirrte sie genauso wie seine Nähe, was auch daran lag, dass ihr noch nie ein Mann so nahe gekommen war. Sie musste dringend einen klaren Kopf behalten und durfte keinen Fehler machen.
    »Also, woher wissen Sie, wer ich bin?«, schrie sie gegen den Lärm der Brandung an.
    »Es war abgemacht, dass Fräulein von Gehring als Zweite von Bord gehen sollte – und außer ihr und den verheirateten Frauen war sonst nur noch die bedauernswerte Lehrerin an Bord.«
    Fanny ärgerte diese Herablassung. »Warum nennen Sie sie bedauernswert? Weil sie für Geld arbeitet?«
    »Nein.« Seine Stimme klang plötzlich hart. »Weil Oka handja, die Missionsstation, zu der wir sie hinbringen sollten, vor drei Tagen niedergebrannt wurde und alle Missionare und Lehrerinnen ermordet worden sind.«
    Fanny schluckte, in ihrem Hals schnürte sich alles zusammen, sie rang nach Luft. Ermordet. Charlotte hatte recht gehabt. Es war viel gefährlicher, in der Mission zu arbeiten, als sie das je für möglich gehalten hatte.
    »Aber warum? Wie konnte das passieren?«
    Seine Augen verdunkelten sich, und neben seinem Mund zeigten sich plötzlich traurige Linien.
    »Niemand weiß genau, was passiert ist. Sicher ist nur, dass alle tot sind. Ich glaube …« Er zögerte, dann straffte er seine breiten Schultern, räusperte sich und fuhr fort. »Es ist ein abscheuliches Verbrechen. Dieses Land wird noch lange nicht zur Ruhe kommen. Aber gehen wir weiter, Sie werden erwartet.« Er umfasste sie wieder, hob sie auf seine Arme und suchte vorsichtig den Weg durch die kreuz und quer auf die Küste zulaufenden Wellen.
    Erschüttert dachte Fanny an Pater Gregor, den überzeugten Missionar, der vor drei Jahren in das Kloster Reutberg gekommen war und sie überhaupt erst auf die Idee gebracht hatte, nach Afrika zu gehen. Sie betete, dass ihm niemals so etwas Grauenhaftes zustoßen möge.
    »Für mich ist diese Lehrerin deshalb bedauernswert, weil niemand weiß, was jetzt mit ihr werden soll«, unterbrach der Mann ihre Gedanken. »Es gibt für eine weiße Frau nicht viele Optionen zum Geldverdienen.«
    »Ich habe gehört, es herrscht in den Schutzgebieten ein großer Mangel an weißen Frauen.«
    »Ach was! Die Hübschen oder die mit Geld, die können vielleicht heiraten. Aber die anderen, die enden im Bordell. Was glauben Sie, wie viele Taugenichtse hier herumlungern? Die warten nur darauf, eine junge Frau zu verderben, und danach bleibt auch nur das Bordell.«
    »Aber gibt es denn keine Arbeit als Lehrerin oder Gouvernante?«
    Was tue ich hier eigentlich?, dachte Fanny im nächsten Moment. Ich muss mich damit abfinden: Mir bleibt nur noch eine Möglichkeit, und die hat Charlotte mir geschenkt. Es ist, als würde sie ihre Hand über mich halten. Ich sollte nach vorne schauen und anfangen, wie Charlotte zu denken.
    »Noch gibt es wenig Anständiges für weiße Frauen. Viel leicht ändert sich das, wenn die Kolonie wächst. Als Bedienstete stellen die Weißen nur Schwarze ein, weil man denen kaum etwas zu bezahlen braucht, und sobald die weißen Kinder alt genug sind, um in die Schule zu gehen, werden sie in ein deutsches Internat geschickt. Man will damit verhindern, dass sich die Kinder mit den Eingeborenen zu sehr anfreunden.«
    »Warum denn das?«
    Der Mann gab ein unbestimmtes Schnauben von sich. »Wie auch immer, Fräulein von Gehring, ich denke doch, Sie haben ein Herz und werden sich der armen Lehrerin so lange annehmen, bis klar ist, was aus ihr werden soll, oder nicht?« Bevor sie etwas erwidern konnte, stellte er Fanny behutsam auf den weichen Sand und wischte sich mit dem Ärmel über seine schweißglänzende Stirn. »Wir sind da.«
    Fanny war erleichtert, festen Boden unter den Füßen zu spüren. Trotzdem war ihr schwindelig von all den entsetzlichen Neuigkeiten, die sie gerade gehört hatte, und sie hätte sich gern noch einen Moment an den Fremden angelehnt, doch der hielt nun Abstand zu ihr.
    Ein großer, blonder Mann trat zu ihnen, betrachtete Fanny eingehend, während ein Leuchten über sein breites, kantiges Gesicht ging. Seine Augenbrauen waren rotblond und struppig und über der Nase zusammengewachsen. Ein großer gezwirbelter Schnurrbart verdeckte seine Oberlippen und verlieh seinem Gesicht ein fröhliches Aussehen.
    »Danke, John«, sagte er zu dem Mann im nassen, hellbraunen Anzug, »dass du mir meine
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