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Der Duft Der Wüstenrose

Der Duft Der Wüstenrose

Titel: Der Duft Der Wüstenrose
Autoren: Beatrix Mannel
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sprach.
    »Für Sahereros Tod machte man nicht seinen Mörder, sondern die Zauberkünste meiner Mutter verantwortlich, und so musste sie wieder einen Kraal verlassen, um ihr Leben zu retten.«
    Fanny betrachtete Zahaboo, die stetig weiter die steile Düne erklomm, aufrecht und mit hocherhobenem Haupt, unverwundbar und majestätisch wie eine Göttin auf dem Weg in den Olymp. Jetzt wurde Fanny klar, dass Zahaboo die Perlen an Saherero, dem Bruder ihres Liebsten und Fannys Vater, gesehen hatte. Wie einfach das klang und wie verworren zugleich.
    Lottchen wachte auf und wimmerte hungrig. Fanny legte ihre Tochter an und streichelte ihren zarten Kopf. Was für ein Wunder, dass dieses winzige Wesen alle Strapazen so gut überstanden hatte. Trotzdem musste sie in Windhuk zu einem Arzt, um sich zu vergewissern, dass Ludwigs Brutalität keinen bleibenden Schaden bei Lottchen hinterlassen hatte.
    Die Sonne verschwand endgültig, und das goldene Rot der Dünen wurde schlagartig fahlrosa. Sie wandte sich wieder John zu und merkte, dass er sie beobachtet hatte.
    »Und du, wo warst du in all den Jahren?«, fragte sie.
    »Nachdem ich zehn geworden war, kam ich aufs Internat, wo ich Ludwig kennengelernt habe. Das Leben dort war ein Schock für mich, denn meine Eltern haben mich niemals geschlagen oder misshandelt. Mein Glück war aber, dass ich trotzdem kämpfen konnte.«
    »Ludwig hat erzählt, du hast ihn vor den anderen beschützt. Warum?«
    »Er war ein so armes Würstchen, die anderen haben ihn ständig verprügelt, angepinkelt und ihm sein Essen weggenommen. Das konnte ich nicht mit ansehen. Das Internat hat uns alle zu Monstern gemacht.«
    »Warum haben sie das getan?«
    John zuckte mit den Schultern.
    »Viele konnten nicht richtig deutsch oder englisch sprechen, aber Ludwig hat noch dazu gestottert und war ziemlich schwach auf der Brust. Seine Eltern waren Missionare und hatten ihm alles verboten, was Jungs sonst so tun. Er hatte sich noch nie geprügelt, er konnte nicht klettern oder rennen, ohne zu stolpern. Und er hatte große Probleme beim Schreiben und Lesen. Ludwig konnte nur eins richtig gut: die Bibel auswendig hersagen, weshalb ihn die anderen nur den ›Jesuskrüppel‹ genannt haben.«
    Fanny brauchte ein paar Momente, um das zu verdauen. Der Mann, der sie so brutal geschlagen hatte, war also der verspottete Außenseiter im Internat gewesen. Wie traurig und wie armselig. Kein Wunder, dass Ludwig von starken, blonden Söhnen geträumt hatte und Männer wie Her mann verehrte.
    »Wenn du ihn beschützt hast, warum seid ihr dann nicht gute Freunde geworden? Wenn mich im Kloster jemand vor Seraphina beschützt hätte, dann hätte sich dieser Jemand meiner lebenslangen Freundschaft sicher sein können.«
    John presste die spröden Lippen aufeinander. »So einfach war das nicht. Ludwig hat mich dafür gehasst, dass er mich brauchte, und gleichzeitig hat er sich bei mir sicher gefühlt. Mit der Zeit wurde er auch härter und konnte sich selbst besser wehren. Ich habe ihn nach dem Internat aus den Augen verloren. Erst als er nach dem Studium zurückkam und immer noch von einer Farm träumte, haben wir uns wiedergesehen. Er hatte niemanden, dem er ver trauen konnte. Andere Verwalter hätten gemerkt, wie wenig Ahnung er von Viehzucht hatte, und er wollte sich keine Blöße geben, deshalb hat er mich dann, trotz seines unterschwelligen Hasses, angestellt. Ich war das kleinere Übel, denn ich wusste ja schon das Schlimmste über ihn, und wenn er mich bezahlte, dann hatte er mich unter Kontrolle. Seine größte Furcht war, ich könnte jemandem erzählen, was ihm, dem ›Jesuskrüppel‹, im Internat angetan worden war. Er hatte immer Angst, nicht ernst genommen zu werden.«
    Das erklärte vieles an Ludwigs Verhalten, was Fanny nie verstanden hatte.
    »Hat er sich deshalb eine Frau per Annonce gesucht, eine mit einer kleinen Beschädigung, die wegen eines Skandals in die Wildnis verheiratet werden musste? Eine schöne Adlige, der er sich trotzdem überlegen fühlen konnte?«
    John nickte. »Für diese Briefe hat er mich gut bezahlt, und nach einer Weile habe ich es genossen, sie zu schreiben. Am Anfang habe ich noch gedacht, dass es Betrug ist, was ich tue. Aber dann wurde es zum Höhepunkt meines Tages, mir zu überlegen, was ich dieser Frau schreiben könnte. Ich habe angefangen zu fantasieren, habe mir vorgestellt, ich würde diese Frau heiraten.«
    John rückte näher an Fanny heran und zwang sie, ihm in die Augen zu schauen.
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