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Der Duft Der Wüstenrose

Der Duft Der Wüstenrose

Titel: Der Duft Der Wüstenrose
Autoren: Beatrix Mannel
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aber sie wollte ihn auch betrachten, sich sattsehen.
    Sein schmal gewordenes Gesicht hatte sie getäuscht, sein Körper bestand nicht nur aus Haut und Knochen. Auf dem stark gewölbten Bizeps des rechten Arms lag wunderbar geborgen ihre winzige Tochter, behutsam an seine glatte Brust geschmiegt. Jedes Mal, wenn er die Kleine hin und her wiegte, zeichneten sich dicke Muskelstränge unter der Haut ab, erinnerten Fanny an Klaviertasten, die sich wie von Zauberhand auf und ab bewegten, und lösten in ihr den dringenden Wunsch aus, sie zu berühren, ein Lied mit ihm zu spielen. Von der schmalen Taille abwärts war John leider von Wasser bedeckt.
    Ihre Blicke begegneten sich, und ihr wurde plötzlich bewusst, dass er sie genauso anstarrte wie sie ihn. Ihre Haut leuchtete geradezu in der Dämmerung. Was, wenn er sie nicht schön fände? Unwillkürlich schob sie ihre Schultern nach hinten, sodass ihre Brüste mehr zur Geltung kamen, und sie löste ihr Haar, das ihr bis zur Taille auf den Rücken fiel. Als sie es schüttelte, rieselte der Sand heraus. Wasser, sie musste endlich ins Wasser, zu ihm.
    Ihre Augen trafen sich, er kam ihr entgegen, und mit jedem Schritt, den er aus dem Wasser machte, gefiel er ihr noch besser. Als er vor ihr stand, reichte er ihr die Hand, die sie nur allzu gern ergriff, er zog sie ungestüm heran, ohne Lottchen loszulassen, und presste Fanny fest an sich. Sie schnappte nach Luft, er war nass und kalt, aber sie wusste ganz genau, dass nicht deshalb diese Schauder durch ihren Körper liefen. Sie drückte sich enger an ihn, und dann trafen sich ihre rauen, spröden Lippen zu einem Kuss, der ganz anders war als der damals im Garten.
    Hemmungslos und wild erkundete John ihren Mund und stöhnte leicht auf. Fanny erwiderte seinen Kuss leidenschaftlich, dann ließ sie ihn los und rannte ins Wasser, hatte plötzlich Angst vor dem, was da durch ihren Körper raste und was sie bei Ludwig nie so empfunden hatte.
    John lachte leise und stürmte hinter ihr her.
    Das Wasser schmiegte sich an ihre Haut, kühlte sie und machte sie herrlich leicht. Sie tauchte unter und kämmte mit den Händen ihre Haare unter Wasser, in der Hoffnung, dass aller Sand und Staub daraus gelöst würde, dann rubbelte sie in Ermangelung von Seife ihre Haut ab und tauchte dabei immer wieder unter.
    John war in einiger Entfernung stehen geblieben und sah ihr vergnügt zu, freute sich an ihrer Begeisterung. Plötz lich wurde Fanny klar, dass er mit der Kleinen auf dem Arm selbst nicht untertauchen konnte. Sie watete zu ihm und nahm ihm Lottchen ab, die wach und mit weit offenen Augen alles um sie herum betrachtete.
    Fanny tauchte auch ihre Tochter unter, zog und schwang sie im Wasser herum, was ihr so fröhliche Laute entlockte, wie Fanny sie noch nie von ihr gehört hatte.
    Dann war John wieder da, legte seine Arme um sie beide und hielt sie fest. Er begann zu flüstern.
    »Egal, was passiert, Fanny, egal, wer Lottchens Vater ist, egal, ob wir heiraten, und egal, wo wir leben werden – wir drei gehören zusammen, so wie der Mond und die Sonne und Ikwezi , der Morgenstern.« Er deutete in den schillern den Nachthimmel, und Fanny folgte seinem Arm mit ihren Augen. Hier oben, mitten in der Wüste, waren ihr die Sterne noch viel näher als jemals zuvor. Plötzlich blitzten mehrere Sternschnuppen auf, rasten quer über den Himmel und verlöschten sofort wieder.
    Ja, dachte Fanny, ja.
    Und es war ihr, als hätte sie gerade Charlottes fröhliches Lachen gehört, doch dann wurde ihr klar, dass es ihre Tochter war, die ein glucksendes Geräusch von sich gegeben hatte.
    »Wir gehören zusammen«, wiederholte John, und seine Stimme ging in eine Art Singsang über, der Fanny tief in ihrer Brust berührte. »Das schwöre ich hier bei diesen Sternen, die nichts anderes sind als die Lichter meiner Ahnen, unserer Ahnen.«
    Fanny wandte ihren Blick von den Sternen zu Johns glänzenden Augen und seufzte voll behaglicher Gewissheit.
    Er hatte recht.
    Sie musste nicht länger suchen, sie war endlich bei ihrer Familie angekommen.

35
    S echs Wochen später besuchte Fanny Richter Ehrenfels in Windhuk, um ihre Ehe annullieren zu lassen.
    Die Reise entlang des mit Wasser gefüllten Tsauchab war ihr nach allem, was sie vorher durchgemacht hatten, wie ein Spaziergang vorgekommen, denn es hatte immer genug zu trinken gegeben.
    Überall waren kleine, grüne Büsche aus dem Boden geschossen, deren zarte, kleinblättrige Sprossen Fanny mit Genuss verspeist hatte.
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