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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya
Autoren: Sarah Benedict
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deren Assistenten und die Assistenten dieser Assistenten, würden mit schwarzen Aktenkoffern durch die Hotelhallen ganz Apias strömen. In dieser Hinsicht war Samoa wohl wie die übrige Welt auch. »Dann werden wohl die anderen Hotels ebenfalls keine freien Zimmer mehr haben, oder?«
    »Ich fürchte, nein. Zumindest nicht in Apia.«
    »Wie heißt die nächste Stadt, und wie weit ist sie entfernt?«
    Die Rezeptionistin lächelte mild. »Apia ist die einzige Stadt Samoas.«
    Die Rezeptionistin reichte ihr geduldig ein Faltblatt mit einer Landkarte und einigen Informationen darauf. Danach befand Evelyn sich auf der Hauptinsel Upolu, fünftausend Kilometer östlich von Australien. Die noch etwas größere Schwesterinsel Savaii war nur wenige Kilometer entfernt, und beide Inseln waren zusammengenommen etwa so groß wie Luxemburg. Apia mit seinen dreißigtausend Einwohnern war tatsächlich die einzige Stadt, die übrigen hundertsiebzigtausend Samoaner lebten glücklich auf viele Dörfer verteilt, die vornehmlich die Küsten säumten. Touristisch war Samoa wenig erschlossen, das hieß: kaum Hotels. Einziger Lichtblick für Evelyn war, dass – laut Faltblatt – die meisten Samoaner Englisch sprachen und der Alphabetisierungsgrad fast achtundneunzig Prozent betrug.
    Wenigstens, so spottete sie im Stillen über ihre Lage, würde man sie in Wort und Schrift verstehen, wenn sie
hungrig und durstig über die Insel zog und um Nahrung und Obdach bettelte.
    Natürlich konnte sie sofort wieder abfliegen. Aber sie war müde, nicht nur vom Flug, sondern noch mehr von den schrecklichen Ereignissen am Vorabend ihres Fluges.
    Und sie brauchte endlich etwas zu trinken.
    »Wenn es Ihnen weiterhilft«, meinte die Rezeptionistin, »dann telefoniere ich ein bisschen auf der Insel herum. Irgendwo gibt es bestimmt noch freie Zimmer.«
    Einen solchen Service war Evelyn von deutschen Hotels nicht gewohnt, außer gegen Gebühr – im Voraus selbstverständlich. Doch die samoanische Rezeptionistin machte nicht den Eindruck, als verlange sie eine Gegenleistung. Sie blinzelte Evelyn freundlich zu, griff nach dem Telefon und wählte die erste Nummer.
    »Sie müssen nicht hier in der Halle warten«, sagte sie, als ahne sie Evelyns Drang nach einem weiteren Martini.
    »Haben Sie eine Bar?«
    »Die Bar ist um diese Uhrzeit leider geschlossen, doch in der Teelounge bedient man Sie gerne. Diesen Gang entlang, immer geradeaus. Ich passe solange auf Ihr Gepäck auf.«
    Evelyn atmete tief durch.
    »Danke«, sagte sie. Sie fühlte sich elend, elend wie nie.
     
    Marlon Brando sah Evelyn mit durchdringendem Blick an. Neben ihm zeigte David Niven sein süffisantes Lächeln, und Gary Cooper sah aus, als würde er sie im nächsten Moment über den Haufen schießen wollen. Die tropengelben Wände der Teelounge waren gespickt von signierten Fotos berühmter Schauspieler, die irgendwann einmal im Aggie Grey’s Tage und Nächte verbracht hatten.
    Der samoanische Kellner verbeugte sich leicht. Sein rundes, braunes Gesicht hob sich von der weißen Uniform
ab. Ein kleines Schild mit einem für Evelyn unaussprechlichen Namen darauf klemmte wie mit der Wasserwaage ausgemessen auf seiner Brusttasche. »Talofa . Was darf ich Ihnen bringen, Madam?«
    »Talofa« , erwiderte sie höflich. »Einen Tee, bitte.«
    »Sehr gern.«
    »Oder warten Sie. Mit einem Schuss Rum, bitte.«
    »Ein Sandwich dazu?«
    »Nein, danke.«
    Für den Bruchteil eines Moments schien es ihr so, als überlege er, wie hoch er den Schuss Rum in einem Elf-Uhr-Tee dosieren solle, der noch dazu ohne etwas zu essen getrunken wurde, aber das war wohl nur Einbildung. Er verbeugte sich neuerlich. Das Geräusch seiner Schritte wurde vom dicken Teppichläufer verschluckt.
    Außer ihr saßen nur noch vier andere Gäste im Raum. Zwei ältere weiße Damen unter rosa Hüten fütterten ihren Terrier mit Kekskrümeln, und ein ebenso alter Mann hob zwischendurch das Gesicht aus der Zeitung, beobachtete die Damen dabei und schüttelte verständnislos den Kopf. An Evelyns Nachbartisch schließlich saß ein Mann ihres Alters, Mitte dreißig, dessen Finger leise auf die Tischplatte trommelten. Er war der Kontrapunkt in diesem harmonischen Ensemble der Lounge, denn er schien mit seinem unrasierten Kinn und den aufgekrempelten Hemdsärmeln irgendwie nicht hierher zu gehören.
    Das Handy klingelte. Instinktiv griff Evelyn in die Handtasche, bevor ihr klar wurde, dass ihr eigenes Handy allenfalls noch in der Lagune vor Apia
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