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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel
Autoren: Wilton Barnhardt
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bei der Abfassung des Evangeliums schon an die hundert Jahre alt, wenn nicht älter gewesen. Irenäus behauptet, daß Johannes bis in die Zeit Trajans lebte (der Kaiser Trajan regierte 98-117). Clemens von Alexandrien sagt in seiner kurz vor Ende des 2. Jahrhunderts verfassten Schrift über den Reichen Mann, der Erlösung findet, daß Johannes noch nach dem Tode Domitians (der im Jahre 98 starb) tätig war. Auch Eusebius sagt, daß Johannes über hundert Jahre alt wurde. Der Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen, daß die Worte Jesu zu Petrus über den Jünger, »den Jesus lieb hatte«, am Ende des Johannesevangeliums: »So ich will, daß er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an?« die Identität des Verfassers jenes späten Werks mit einem vertrauten Jünger Jesu beweisen sollen und dem Herrn eigens zu diesem Zweck in den Mund gelegt wurden. Die übrigen Jünger hätten diesen Worten die Vermutung entnommen: »Dieser Jünger stirbt nicht« (Johannes 21, 20-23).
    Schon zu Zeiten der Kirchenväter wurde nur von wenigen angenommen, daß der Verfasser des Johannesevangeliums mit demjenigen der Offenbarung Johannis identisch sei. Indessen handelt es sich bei der Offenbarung, dem Zeugnis des Irenäus zufolge, um ein unter der Herrschaft Domitians (zwischen 81 und 96
    n. Chr.), mutmaßlich also noch zu Lebzeiten des Jüngers Johannes, entstandenes Werk. Aufgrund des hier vorgelegten Dokuments ist der Herausgeber geneigt, die Offenbarung dem Jünger zuzuschreiben, das Evangelium aber und alle Briefe für Werke des Presbyters zu halten (des Ältesten, der sich als Absender des 2. und 3. der Briefe nennt, die im Neuen Testament unter dem Namen des Johannes stehen). Dem Herausgeber ist durchaus bewusst , daß diese naheliegende Vermutung bisher nur wenig Anhänger gefunden hat.
     
    7 Johannes ist der Jünger, »den Jesus lieb hatte, der auch an seiner Brust beim Abendessen gelegen war« (Johannes 21,20), und von Johannes geküsst und umarmt sieht man Jesus auf vielen Ikonen dargestellt, nach dem antiken Muster der innigen Gemeinschaft des liebenden Lehrers mit dem geliebten Schüler. Das hellenistische Christentum Johannis schuldete in dieser Hinsicht der Akademie von Athen mehr als dem Tempel von Jerusalem (wenn auch neuerdings aus den am Toten Meer gefundenen Schriftrollen erhellt, daß sein Begriff von einer göttlichen Vater-Sohn-Beziehung dem vierten Evangelisten auch aus einer spezifisch jüdischen Tradition offenbart worden sein mag). Nichtsdestoweniger ist das Verhältnis zwischen Jesus und Johannes unverkennbar so erotisch geschildert, wie die Griechen dasjenige zwischen dem Lehrer und dem Schüler aufzufassen gewöhnt waren; diesen Appell an zeitgenössische griechische Vorurteile leugnen zu wollen wäre Zeugnis einer heutzutage von niemandem mehr verlangten Prüderie. Als Muster geistlicher und keuscher Liebe zwischen Männern galt diejenige, die Jesus und Johannes verbindet, während des ganzen Mittelalters. (Siehe etwa Aelreds Abhandlung De speculo caritat is, ein Werk des 12. Jahrhunderts, in dem von der »geistlichen Ehe« der beiden die Rede ist.)
     
    8 Gewöhnlich hält man den in Apostelgeschichte 6,5 erwähnten Prochorus für den Schreiber, dem Johannes auf Patmos seine Visionen diktierte, während in dem vorliegenden Dokument die Ehre, dieses Diktat aufgenommen zu haben, einem anderen, besagtem Zossima, gegeben wird. Pentheus war mutmaßlich der Lieblingsjünger des Apollonios von Tyana, der Jesus zeitweilig recht erhebliche Konkurrenz machte. Lukian von Samosata zwar hielt ihn für einen Schwindler, doch auf Wunsch der Gattin des Kaisers Septimius Severus, Julia Domna, verfasste zu Beginn des 3. Jahrhunderts Philostratos eine Biographie dieses »pythagoreischen Wanderphilosophen«, wo man denselben zu einem gottähnlichen Übermenschen stilisiert findet. Gegen Ende des Jahrhunderts schrieb dann ein gewisser Hierokles, Präses von Bithynien, eine Streitschrift, in der er Apollonios über Jesus stellte, ganz abgesehen davon, daß er dessen Wundertaten besser beglaubigt fand als diejenigen Jesu. »Denn während die Fabeln über Jesus von Petrus und Paulus und etlichen anderen ihres Schlages zusammengeflickt worden sind – Männern, die Lügner waren und ohne jegliche Bildung und Zauberer –, wurde die Geschichte des Apollonios geschrieben … von Damis dem Philosophen, der ständig an seiner Seite lebte, und Philostratos von Athen, hochgebildeten Männern, die aus Achtung vor der Wahrheit und aus
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