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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron
Autoren: Tad Williams
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ein Dachs mit Schürze. Voller Bedauern blickte sich Simon nach den schützenden Bäumen und Hecken des Gartens um. Ihrer beider Schritte hallten feierlich in dem langen Steinkorridor wider.
    Die Kammerfrauen hatten Simon aufgezogen, aber da er ganz sicher nie eine der ihren werden würde – denn ganz abgesehen davon, dass er ein Junge war, konnte man ihm offensichtlich keine feineren Hausarbeiten anvertrauen –, hatte man sich gemeinschaftlich bemüht, eine passende Arbeit für ihn zu finden. In einem großen Haus, und der Hochhorst war zweifellos das größte Haus überhaupt, war für Leute, die nicht arbeiteten, kein Platz. Simon hatte eine Art Beschäftigung in den Burgküchen gefunden, aber selbst in dieser anspruchslosen Stellung war er wenig nützlich. Die anderen Küchenjungen lachten und pufften einander, wenn sie Simon betrachteten, der – bis zu den Ellenbogen im Wasser, die Augen in selbstvergessener Träumerei zugekniffen – gerade die Kunst des Vogelflugs erlernte oder Traumjungfrauen vor imaginären Untieren errettete, während sein Waschprügel quer durch die ganze Wanne davontrieb.
    Der Legende nach war einst Herr Fluiren – ein Verwandter desberühmten Herrn Camaris von Nabban – in seiner Jugend auf den Hochhorst gekommen, um ein Ritter zu werden, und hatte in ebendieser Spülküche ein ganzes Jahr gearbeitet, so unsagbar demütig war er gewesen. Die Küchenleute hatten ihn geneckt, erzählte man, und ihn »Hübschhand« genannt, weil die schreckliche Schufterei das feine Weiß seiner Finger nicht beeinträchtigen wollte.
    Simon brauchte nur die eigenen rosagesottenen Pfoten mit den gesprungenen Nägeln anzuschauen, um zu wissen, dass er nicht der verwaiste Sohn eines großen Herrn war. Er war ein Küchenjunge und Eckenausfeger, und damit hatte es sich.
    König Johan hatte, wie jedermann wusste, in kaum höherem Alter den Roten Drachen erschlagen; Simon kämpfte mit Besen und Töpfen. Nicht, dass das einen großen Unterschied bedeutet hätte: Die heutige Welt war anders und ruhiger als in des Königs Jugend, was sie großenteils dem alten Herrscher selber verdankte. In den dunklen, endlosen Hallen des Hochhorstes wohnten keine Drachen mehr, zumindest keine feuerspeienden. Allerdings kam Rachel, wie Simon oft innerlich fluchte, mit ihrer sauren Miene und den grässlichen Kneifefingern ihnen nahe genug.
    Sie erreichten das Vorzimmer des Thronsaals und damit den Mittelpunkt der ungewohnten Betriebsamkeit. Die Kammerfrauen flogen nur so von Wand zu Wand wie Fliegen in einer Flasche. Rachel blieb mit in die Hüfte gestemmten Fäusten stehen und musterte ihr Reich, und dem Lächeln nach, zu dem sie ihren dünnen Mund zusammenzog, schien sie zufrieden.
    Simon, einen Augenblick unbeachtet, kauerte an einer teppichgeschmückten Wand. Krummrückig starrte er aus den Augenwinkeln auf das neue Mädchen Hepzibah, das rundlich und lockenhaarig war und sich mit einem unverschämten Hüftschwung fortbewegte. Als sie mit einem überschwappenden Wassereimer an ihm vorbeikam, fing sie seinen Blick auf und lächelte breit und amüsiert zurück. Simon spürte, wie ihm knisterndes Feuer vom Hals bis in die Wangen stieg, und wandte sich ab, um an den ausgefransten Wandbehängen herumzuzupfen.
    Rachel war der Blickaustausch nicht entgangen.
    »Dass dich der Herr auspeitschen möge wie einen Esel, Junge!Hab ich dir nicht gesagt, du solltest dich an die Arbeit machen? Los jetzt!«
    »Los womit? Was soll ich denn tun?«, rief Simon und hörte tiefgekränkt, wie Hepzibahs silberhelles Lachen aus dem Gang herüberschwebte. In ohnmächtiger Wut auf sich selber zwickte er sich in den eigenen Arm. Es tat weh.
    »Nimm den Besen hier und geh die Wohnung des Doktors ausfegen. Der Mann lebt wie ein Hamster, der alles in seinen Bau schleppt, und wer weiß, wohin der König noch gehen will, jetzt, da er wieder auf den Beinen ist!« Ihr Ton zeigte deutlich, dass für Rachel auch Könige von der sonst Männern eigenen Aufsässigkeit keinesfalls ausgenommen waren.
    »Die Wohnung von Doktor Morgenes?«, fragte Simon. Zum ersten Mal, seit er im Garten erwischt worden war, besserte sich seine Laune. »Sofort!« Er schnappte sich den Besen und war schon fort.
    Rachel schnaubte und drehte sich um, um die Ordnung und Reinlichkeit im Vorzimmer zu prüfen. Sie fragte sich einen kurzen Augenblick, was wohl hinter der gewaltigen Tür des Thronsaales vorgehen mochte, verbannte dann jedoch diese Gedankenverirrung so unbarmherzig, wie sie eine
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