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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron
Autoren: Tad Williams
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verzog das Gesicht. »Ich könnte Josua vieles nachsagen, aber ich glaube nicht, dass ›Stärke‹ nun unbedingt dazugehört.«
    »Ihr seid zu hart mit ihm, Gebieter.«
    »Unsinn. Willst du mich belehren? Kennt der Narr den Sohn besser als sein Vater?« Johans Hand zitterte, und sekundenlangschien es, als wolle er sich mühsam erheben. Endlich ließ die Spannung nach.
    »Josua ist ein Zyniker«, begann der König mit ruhigerer Stimme weiterzusprechen.
    »Ein Zyniker, ein Melancholiker, kalt und boshaft zu seinen Untertanen. Ein Königssohn ist ja gottgegeben nur von Untertanen umgeben – und jeder Einzelne davon kann ein Meuchelmörder sein. Nein, Strupp, er ist seltsam, mein Jüngerer, vor allem, seit … seit er die Hand verlor. Ach, barmherziger Ädon, vielleicht ist es meine Schuld.«
    »Was meint Ihr, Herr?«
    »Ich hätte mir vielleicht eine neue Frau nehmen sollen, nach Ebekahs Tod. Ein kaltes Haus war es ohne Königin … vielleicht ist das der Grund für das merkwürdige Wesen des Jungen. Aber Elias ist trotzdem nicht so.«
    »Prinz Elias’ Wesen ist von einer gewissen rohen Geradlinigkeit«, murmelte der Narr, aber falls der König es hörte, ließ er es sich nicht anmerken.
    »Ich danke dem wohltätigen Gott, dass Elias der Erstgeborene ist. Hat einen tapferen, kriegerischen Charakter, der Junge – ich glaube, wenn er der Jüngere wäre, säße Josua nicht sicher auf dem Thron.«
    Bei dem Gedanken schüttelte der König den Kopf, tastete dann nach unten, packte seinen Narren beim Ohr und kniff ihn, als sei der kleine Alte ein Kind von fünf oder sechs Jahren.
    »Versprich mir eins, Strupp …«
    »Ja, Herr?«
    »Wenn ich sterbe – und das wird bald sein, denn ich glaube nicht, dass ich den Winter überlebe –, musst du Elias in diesen Saal führen … meinst du, dass die Krönung hier stattfinden wird? Und wenn schon – dann musst du eben warten, bis sie vorbei ist. Anschließend bring ihn her und gib ihm Hellnagel. Ja, nimm das Schwert jetzt an dich und verwahre es. Ich fürchte, dass ich vielleicht schon sterbe, während er noch weit weg ist, in Meremund oder an einem anderen Ort, und ich möchte, dass das Schwert mit meinem Segen ohne Umwege in seine Hände gelangt. Verstehst du mich, Strupp?«
    Mit zittrigen Händen schob Johan der Priester das Schwert in die geprägte Scheide zurück und bemühte sich einen Augenblick vergeblich, das Wehrgehenk abzuschnallen, an dem sie befestigt war. Die Verschnürung hatte sich verhakt, und der Narr erhob sich auf die Knie, um mit seinen kräftigen alten Fingern den verzwickten Knoten zu lösen.
    »Wie lautet der Segen, Herr?«, fragte er, die Zunge zwischen den Zähnen, während er an dem Knotengewirr herumzupfte.
    »Sag ihm das, was ich dir gesagt habe. Erzähl ihm, dass das Schwert die Spitze seines Herzens und seiner Hand ist, so wie wir die Werkzeuge von Herz und Hand Gottvaters sind … und sag ihm, dass kein Preis, und sei er noch so edel, es wert ist … es wert ist …« Der König zögerte und führte die bebenden Finger an die Augen.
    »Nein, vergiss das. Sprich nur von dem, was ich dir über das Schwert erzählt habe. Das genügt.«
    »Ich werde es tun, mein Gebieter«, erwiderte Strupp. Er runzelte die Stirn, obwohl er den Knoten gelöst hatte. »Ich werde Euren Wunsch mit Freuden erfüllen.«
    »Gut.« Johan der Priester lehnte sich wieder in seinen Drachenbeinthron zurück und schloss die Augen. »Sing mir noch etwas, alter Freund.«
    Und Strupp sang. Die verstaubten Banner über ihnen schienen ganz leise zu schwanken, als wandere ein Flüstern durch die zuschauende Menge, durch die uralten Reiher und trübäugigen Bären und die anderen, die noch fremdartiger waren.

2
Eine Zwei-Frosch-Geschichte

    üßiggang ist aller Laster Anfang. Über diesen Spruch, eine von Rachels Lieblingsweisheiten, dachte Simon missmutig nach, als er auf das Sortiment von Pferdepanzerteilen starrte, die jetzt über die ganze Länge der Wandelhalle des Burgpfarrers verstreut lagen. Nur einen Augenblick vorher war er noch vergnügt den langen, mit Steinplatten gefliesten Gang hinuntergehüpft, der an der äußeren Längswand der Kapelle entlangführte, auf dem Weg zu Doktor Morgenes’ Wohnung, die er ausfegen sollte. Natürlich hatte er ein bisschen mit dem Besen herumgefuchtelt und sich vorgestellt, es wäre die Baum-und-Drachen-Fahne der Erkyngarde von Johan Presbyter, die er, Simon, gerade in die Schlacht führte. Vielleicht hätte er besser aufpassen müssen, wo
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