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Der Drache am Himmel

Der Drache am Himmel

Titel: Der Drache am Himmel
Autoren: Andreas Sommer
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sogar die richtigen Schuhe; schließlich sollten seine Spuren die vom Fluss sein. Noch auf der Rückfahrt hatte Rosa am Telefon mit Severin um die »richtigen Abdrücke« gerungen. Ob Maurice gerade diese ihm zu großen Schuhe zum Verhängnis geworden sind? Ist er vielleicht gestolpert und unglücklich gestürzt? Es wäre ebenso absurd wie ungerecht …
    Die Tür geht auf. Rosa tritt ein. Lilith springt auf. Rosa lacht, ruft: »Hallo, ihr Lieben, da bin ich«, erfasst im selben Moment, dass Lilith allein ist, und erschrickt: »Wo …« kann sie gerade noch sagen, dann stürzt sich Lilith in ihre Arme. »Sie haben Maurice erwischt.« Für Rosa könnte die Ernüchterung nicht grausamer sein. Vor Minuten noch ist sie, von euphorischen Selbstgesprächen getragen, durch die Nacht geeilt, vor Sekunden erst die Kellertreppe herabgeschwebt, voller Freude und Sehnsucht, die beiden zu überraschen, von ihrer Mission bei Aldo zu berichten und den Erfolg der beiden zu feiern, an dem sie nie gezweifelt hat. »Er kommt bestimmt gleich«, versucht sie Lilith zu beruhigen.
    »Ich war auf der Wache. Hab es direkt mitbekommen. Es kam über Funk.«
    Sie lösen sich voneinander. Fallen sich erneut in die Arme. Sie schweigen. Lilith setzt sich wieder auf ihren Hocker. Und Rosa wandert zwischen den Instrumenten herum, berührt dieses, streichelt jenes, als müsste alles besänftigt werden. Einmal murmelt sie, dass sie gleich Severin anrufen werde. Einmal fordert sie Lilith auf, zu berichten, wie es auf der Wache zugegangen sei, um sie im nächsten Augenblick zu bitten, doch nichts zu erzählen; sie sei noch nicht so weit.
    »Entschuldige, Lilith!«, sagt sie schließlich.
    »Warum?«
    »In was für einen Schlamassel habe ich euch da reingezogen!«
    »Wir wollten es doch auch.«
    »Trotzdem! Ich habe mich in etwas hineingesteigert. Jetzt kommt es mir wie ein Wahn vor. Ich habe zu glauben begonnen, ich hätte einen Auftrag. Erinnerst du dich? Ich sprach einmal davon, dass ich dem Teufel in die Suppe spucken wollte. Das hab ich zu meiner Mission gemacht. Mein Gefühl war, dass da irgendwo jemand an den Strippen zieht und ein böses Spiel mit unserer Stadt treibt. Wahnsinn! Das hab ich wirklich geglaubt. Dieser Jemand hält sich bedeckt – und ich, Rosa Belzer, spucke ihm in die Suppe, versalze sie ihm gehörig. Und dann: Böses Spiel aus. Strippenzieher blamiert. Stadt gerettet! Wie konnte ich mir das bloß einbilden! Wie solchen Unsinn nur glau…«
    »Aber du warst doch ganz fröhlich, als du gekommen bist …« Lilith horcht auf. »Hörst du das, Rosa?« Lilith schreit es. Jähes Poltern auf der Treppe. Die Tür springt auf und Maurice steht vor ihnen. Er dreht sich um und ruft in den Kellergang zurück: »Danke! Sie sind da. Danke fürs Herfahren.« Und er dreht sich wieder Lilith und Rosa zu und erklärt: »Das war der Küster vom Münster.«
    Es fügt sich alles, auch wenn alle zunächst einmal durcheinanderreden. Maurice war von einem unangenehm düster gestimmten Severin zur Michaelskapelle gebracht worden. Dort lag alles bereit. Severin erklärte ihm den Maskenkopf, mürrisch zwar, aber klar verständlich. Mehrmals fragte er Maurice, ob ihm auch klar sei, worauf er sich da einlasse, und ob er wirklich als böser Geist auftreten wolle.
    »Alles war da. Auch die Schuhe. Ich probierte sie. Der Maskenkopf war verflucht schwer. Unheimlich war mir da drin. Dann legte ich ihn wieder ab, um den Umhang anzuziehen. Ein Bändel war angerissen. Als ich dran zog, riss es ganz ab. Derweil hatte Severin Maske und Schuhe schon mal auf dem Treppenpodest vor der Pforte bereitgelegt. Ich sehe ihn noch an der Tür stehen und fast böse auf das Stück Band in meiner Hand starren. Er verlangte, dass ich den Umhang wieder ausziehe. Ich tat es. Er nahm ihn. Dann ging er einfach zur Tür, schlug sie hinter sich zu und schon hörte ich, wie er den Schlüssel umdrehte. Und ich stand wie ein begossener Pudel da, das sag ich euch.«
    Alles fügt sich zusammen. Nicht Maurice ist im Park gewesen, sondern Severin. Und Severin hat gewartet, bis sie gekommen sind …
    »Kannst du das verstehen, Rosa?«, fragt Lilith.
    »So ist er halt«, sagt die und es wirkt ein bisschen überheblich, wenn sie hinzufügt: »Er ist schließlich auch mein Sohn. Er hat sich gestellt.«
    »Und der Küster? Was ist mit dem Küster?«, ruft Lilith.
    »Der? Der hat eine SMS erhalten, sagt er, so gegen halb zehn. Vom Herrn Pfarrer , wie er sagt. Er solle dringend die Michaelskapelle
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