Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Drache am Himmel

Der Drache am Himmel

Titel: Der Drache am Himmel
Autoren: Andreas Sommer
Vom Netzwerk:
Begegnung …«
    »Er hat Ihnen schon mal aufgelauert?«
    »Ja, ja! Aber nicht so. Jetzt habe ich ihn.«
    »Und Sie haben Meldung gemacht?«
    »Ja. Ja. Bei der Mühle unten, das ist …«
    Der eine Beamte unterbricht sie: »Hören Sie! Vielleicht haben wir ja eine Chance. Wo war es genau? Wie groß ist er? Wir geben Ihre Informationen dann sofort an die Streifen durch.«
    »Es war aber nicht derselbe. Bei der Mühle …«
    »… nein, der von vorhin! Wir geben es durch!« Er ist aufgestanden und weist mit dem Daumen auf die mit Leuchtdioden bestückte Tafel hinter ihm. Einiges blinkt, ein Mikrofon ragt heraus. Lilith atmet tief durch. Natürlich ist Maurice längst aus dem Park verschwunden und in Sicherheit. Trotzdem muss sie das verquere Gefühl überwinden, sie würde ihn verraten und ans Messer liefern.
    »Ganz ruhig«, sagt die Beamtin. »Wir haben Zeit. Aber Ihre Aussage ist sehr wichtig.«
    »Beim Brunnen. An der Promenade. Beim Springbrunnen. Aber es war nicht derselbe wie damals. An der Promenade …«
    »Drei und fünf, drei und fünf, bitte melden!«, hört sie den Beamten am Mikrofon. »Wo genau?«
    »Im Park, ich habe ihn sogar fotografiert. Im Florapark.«
    »Flora!«, rief der Polizist.
    –
    »Kroge, bitte melden. Du nimmst die Promenade.«
    –
    »Ja. Wie beim Exhibitionisten …«
    –
    »Natürlich, ja! Wir haben eine Zeugin. Gehen Sie aufs Gelände …«
    –
    Es beruhigt Lilith, dass die Maschinerie anläuft und sie aus dem Mittelpunkt des Geschehens entlassen wird. Ob sie es mit ihrer Hysterie übertrieben hat? Sie glaubt es nicht. Die Beamtin hat sich an einen Computer gesetzt und bittet Lilith zu sich. Ihre Personalien werden erfasst, ihre frühere Aussage wird gefunden und mit ruhigen Fragen leitet die Polizistin sie durch den Vorfall. Sie wirkt freundlich und Lilith ist sich sicher, dass niemand ihre Glaubwürdigkeit anzweifelt. Sie hilft der Beamtin, mit ihrem Fotoapparat klarzukommen, und willigt ein, dass alle Daten von ihrem Chip auf den Speicher des Computers geladen werden. »Keine Sorge, Ihre privaten Bilder löschen wir wieder. Nur die vom Tatort behalten wir, okay?«
    Vermutlich wird sie bald gehen dürfen. Gut ist es gelaufen. Aber viel Kraft hat sie nicht mehr. Sie ist erschöpft.
    »Unglaublich, Walcher, komm, schau dir das an«, ruft die Polizistin, die offenbar die Fotos auf den Bildschirm geschaltet hat, und nickt Lilith anerkennend zu: »Monströs, diese Fratze! Dem brennt ja der Schädel!« Der mit Walcher Angesprochene kommt und schaut: »Ei verflucht. Bin mal gespannt, was die Fahndung dazu sagt. Klick mal die Fluss-Akte an.« Lilith weiß nicht, ob sie auch einen Blick auf den Bilderschirm werfen soll. Dazu müsste sie aufstehen und um den Tisch herumgehen … Aber eigentlich spielt es auch keine Rolle mehr. Bald wird sie verschwinden können. Rosa ist bestimmt schon am Treffpunkt, Maurice vielleicht auch. Im Bandkeller wollen sich alle treffen.
    »Wann?« Der Uniformierte vor der Schalttafel presst sich den Hörer ans Ohr. Alle horchen auf, weil sein aufgeregter Ausruf nicht zu der nüchternen Routine passt, die mittlerweile eingekehrt ist.
    »Wo?«
    –
    »Widerstand?«
    –
    »Der hat doch nicht alle Tassen im Schrank. Ist er besoffen?«
    –
    »Gute Arbeit!« Er legt auf und grinst, und Lilith befürchtet kurz, man habe Maurice noch erwischt, um es sogleich zu verwerfen, weil es ganz unmöglich ist, und der Polizist sagt:
    »Mal wieder ziemlich souverän, die Kroge. Wir haben den Kerl. Der Idiot muss sich schwer überschätzt haben. War immer noch im Park! Sie arrestieren im Stadelhof. Junge Frau, das haben Sie gut gemacht.«
    Lilith denkt nur: Was hast du getan, verflucht, Maurice, was hast du getan? Sie möchte schreien und traut sich nicht. Rosa! Liebe Rosa, jetzt ist alles vorbei.
    Aldo bleibt stumm und schaut mit verhangenem Blick irgendwohin. Rosa lässt ihn nicht aus den Augen, wartet ab und starrt ihn an, bis sein Gesicht zu verschwimmen beginnt. Es könnte jedermanns Gesicht, jedermanns Maske sein. Sie fühlt sich leer und ausgeliefert. Hat nichts mehr zu sagen, weil sie kein Ass mehr im Ärmel hat. Amen , wiederholt sie für sich. Dass Aldo damit drohen könnte, ihrem Sohn etwas anzutun, sich an Severin schadlos zu halten, dass er versuchen könnte, seine Haut zu retten, indem er seinen besten Freund opfert – sie wird es nie fassen können. Jetzt, wo er erfahren hat, dass Severin sein Bruder, sein Halbbruder ist, wird er vielleicht davor zurückschrecken.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher