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Der Dienstagabend-Club

Der Dienstagabend-Club

Titel: Der Dienstagabend-Club
Autoren: Agatha Christie
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Kindes?«
    »Nein. Er ist schon der Vater. Rose Emmott hat es ihrem Vater gestanden. Sie glaubte, er würde sie heiraten. Der sie heiraten! Das hätte er nie und nimmer getan.«
    Herrje!, dachte Sir Henry bei sich. Da bin ich ja in ein regelrechtes Melodrama aus der guten alten Zeit hineingeraten: das ahnungslose Mädchen, der Schurke aus London, der strenge Vater, der Verrat – und nun fehlt uns nur noch der treue Liebhaber aus dem Dorf. Ja, es ist wohl an der Zeit, dass ich mich nach ihm erkundige.
    Laut fragte er:
    »Hatte das Mädchen denn nicht einen jungen Mann hier im Dorf?«
    »Meinen Sie etwa Joe Ellis?« erwiderte der Inspektor. »Ein guter Kerl, dieser Joe. Tischler von Beruf. Ah! Wenn sie Joe nur treu geblieben wäre!«
    Colonel Melchett nickte beifällig. »Jeder zu seinesgleichen!«, schnauzte er.
    »Wie hat sich Joe Ellis denn zu der Sache gestellt?«, erkundigte Sir Henry sich.
    »Das weiß niemand«, entgegnete der Inspektor. »Ein ruhiger Bursche, dieser Joe. Verschwiegen. Alles, was Rose tat, war in seinen Augen richtig. Er tanzte völlig nach ihrer Pfeife. Ich glaube, er hoffte wohl, dass sie eines Tages zu ihm zurückkehren würde.«
    »Ich möchte gern einmal mit ihm sprechen«, sagte Sir Henry.
    »Oh, wir werden ihn schon aufsuchen«, versprach Colonel Melchett. »Wir übersehen keine Möglichkeit. Persönlich habe ich es mir so gedacht: Zuerst gehen wir zu Emmott, dann zu Sandford, und zum Schluss können wir noch Ellis besuchen. Ist Ihnen das recht, Clithering?«
    »Das passt mir ausgezeichnet«, entgegnete Sir Henry.
    Im »Blauen Eber« trafen sie Tom Emmott an, einen großen, kräftig gebauten Mann in mittleren Jahren mit unbeständigem Blick und grausamem Mund.
    »Freut mich, Sie zu sehen, meine Herren – guten Morgen. Colonel. Treten Sie bitte hier ein, dann sind wir unter uns. Darf ich Ihnen etwas anbieten, meine Herren? Nein? Wie Sie wünschen. Sie kommen also wegen meiner armen Tochter. Ach! Sie war ein so gutes Mädchen, meine Rose. Stets so rechtschaffen, bis dieser Gauner ins Dorf kam. Versprach ihr die Ehe, dieser Kerl! Aber ich werde ihn verklagen. Er hat sie in den Tod getrieben! Das hat er, dieser mörderische Halunke, und Schande über uns alle gebracht. Mein armes Kind!«
    »Hat Ihre Tochter Ihnen ausdrücklich gesagt, dass Mr Sandford für ihren Zustand verantwortlich sei?«, fragte Melchett in energischem Ton.
    »Jawohl. Hier in diesem Zimmer sogar.«
    »Und was haben Sie zu ihr gesagt?«, erkundigte Sir Henry sich.
    »Zu ihr gesagt?«
    Der Mann schien im Augenblick ganz verblüfft.
    »Ja. Haben Sie ihr vielleicht gedroht, sie aus dem Haus zu werfen?«
    »Ich war etwas erregt – aber das ist doch ganz natürlich. Das werden Sie sicher zugeben. Aber ich habe sie selbstverständlich nicht aus dem Haus geworfen. So etwas würde ich doch nicht tun.« Er spielte den beleidigten Tugendbold. »Nein, wofür haben wir denn das Gesetz, sage ich immer. Wofür haben wir das Gesetz? Er musste sie heiraten. Und wenn er das nicht tat, dann, bei Gott, musste er eben zahlen.«
    Er schlug heftig mit der Faust auf den Tisch.
    »Wann haben Sie Ihre Tochter zum letzten Mal gesehen?«, fragte Melchett.
    »Gestern – beim Tee.«
    »Wie war sie da?«
    »Nun – wie immer –, ich habe ihr nichts angemerkt. Wenn ich gewusst hätte – «
    »Aber Sie haben es nicht gewusst«, sagte der Inspektor trocken.
    Sie brachen auf.
    »Emmott hinterlässt nicht gerade einen günstigen Eindruck«, bemerkte Sir Henry nachdenklich.
    »Ein kleiner Schurke«, gab Melchett zu. »Er würde Sandford schon das Fell über die Ohren gezogen haben, wenn er die Chance gehabt hätte.«
    Dir nächster Besuch galt dem Architekten. Rex Sandford entsprach keineswegs dem Bild, das Sir Henry sich unbewusst von ihm gemacht hatte. Er war ein großer junger Mann, sehr blond und sehr dünn. Er hatte blaue, träumerische Augen, und sein Haar war unordentlich und etwas zu lang. Seine Sprechweise war reichlich geziert.
    Colonel Melchett stellte sich und seine Begleiter vor. Dann steuerte er ohne Umschweife auf den Zweck seines Besuches los. Er forderte den Architekten auf, ihnen genau zu sagen, wo er sich am vergangenen Abend zu den verschiedenen Zeiten aufgehalten hatte.
    »Sie verstehen ja wohl«, warnte er. »Ich habe keine Befugnis, eine Aussage von Ihnen zu erzwingen. Und jede Aussage, die Sie machen, kann als Beweis gegen Sie verwendet werden. Ich möchte, dass Sie sich darüber ganz klar sind.«
    »Ich – ich verstehe nicht
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