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Der Dienstagabend-Club

Der Dienstagabend-Club

Titel: Der Dienstagabend-Club
Autoren: Agatha Christie
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sich von seiner Verblüffung erholt hatte.
    Sie nickte mehrere Male sanft mit dem Kopf.
    »Ich weiß – ich weiß – deshalb bin ich auch zu Ihnen gekommen.«
    »Aber, liebe gnädige Frau, ich bin nicht die richtige Anlaufstelle für Sie. Heutzutage bin ich nur noch Privatmann. Wenn Sie diesbezügliche Kenntnisse haben, müssen Sie zur Polizei gehen.«
    »Das kann ich wohl nicht«, erwiderte Miss Marple.
    »Aber warum nicht?«
    »Weil ich nämlich keine diesbezüglichen Kenntnisse habe, wie Sie sich ausdrücken.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass es nur Vermutungen Ihrerseits sind?«
    »Sie können es so nennen, wenn Sie wollen, aber es ist in Wirklichkeit ganz anders. Ich weiß es. Ich bin in der Lage, es zu wissen. Aber wenn ich Inspektor Drewitt meine Gründe dafür angäbe, würde er einfach lachen. Und ich könnte es ihm nicht einmal übel nehmen. Es ist sehr schwierig, eine besondere Art von Wissen zu verstehen.«
    »Zum Beispiel?«, erkundigte sich Sir Henry.
    Miss Marple lächelte ein wenig.
    »Wenn ich Ihnen nun sagte: Ich weiß es, weil ein Gemüsehändler namens Peasegood vor Jahren einmal bei meiner Nichte Steckrüben anstatt Karotten ablieferte – «
    Es folgte ein beredtes Schweigen.
    »Mit andern Worten«, meinte Sir Henry, »Sie urteilen also einfach nach den Tatsachen eines Parallelfalls.«
    »Ich kenne die menschliche Natur«, betonte Miss Marple. »Wenn man so viele Jahre in einem Dorf gelebt hat, lernt man sie von Grund auf kennen. Das lässt sich gar nicht vermeiden. Die Hauptsache ist: Glauben Sie mir oder nicht?«
    Sie blickte ihm direkt und unverwandt in die Augen, während sich das Rot in ihren Wangen vertiefte.
    Sir Henry verfügte über eine umfassende Lebenserfahrung. Er traf seine Entscheidung rasch und ohne Umschweife. So unwahrscheinlich und fantastisch Miss Marples Behauptung auch klingen mochte, er stellte fest, dass er sie ohne Weiteres akzeptierte.
    »Ich glaube Ihnen wirklich, Miss Marple. Aber ich verstehe nicht ganz, was ich in der Angelegenheit tun soll oder weshalb Sie zu mir kommen.«
    »Ich habe mir auch schon den Kopf zerbrochen«, erwiderte Miss Marple. »Wie ich bereits sagte, wäre es zwecklos, bei der Polizei ohne Beweise anzutreten, und greifbare Beweise habe ich nicht. Ich möchte Sie daher bitten, Interesse an der Sache zu zeigen. Inspektor Drewitt würde sich bestimmt geschmeichelt fühlen. Und wenn die Sache weitergehen sollte, würde Colonel Melchett, der Polizeipräsident, selbstverständlich wie Wachs in Ihren Händen sein.«
    Sie sah ihn flehend an.
    »Und was für Anhaltspunkte könnten Sie mir geben?«
    »Ich hatte die Absicht, einen Namen – den Namen – auf ein Stück Papier zu schreiben und Ihnen dieses zu geben. Wenn Sie dann bei der Untersuchung zu dem Schluss kommen, dass diese Person nichts damit zu tun hat – nun, so habe ich mich eben geirrt.«
    Sie hielt inne und fügte dann mit leichtem Schaudern hinzu:
    »Es wäre furchtbar – ganz furchtbar, wenn eine unschuldige Person an den Galgen käme.«
    »Was veranlasst Sie zu dieser Annahme?«, fragte Sir Henry.
    Ein gequälter Ausdruck lag in ihren Augen.
    »Ich kann mich ja irren – aber ich glaube es nicht. Inspektor Drewitt ist wirklich ein intelligenter Mann. Doch eine durchschnittliche Intelligenz ist manchmal höchst gefährlich. Sie führt einen nicht weit genug.«
    Sir Henry warf ihr einen merkwürdigen Blick zu.
    Etwas ungeschickt öffnete Miss Marple einen zierlichen Pompadour, nahm ein kleines Notizbuch hervor und riss ein Blatt heraus. Darauf schrieb sie sorgfältig einen Namen, faltete das Blatt und reichte es Sir Henry.
    Er öffnete es und las den Namen, der keinerlei Bedeutung für ihn hatte. Ein wenig verdutzt blickte er zu Miss Marple hinüber und steckte dann das Stück Papier in seine Tasche.
    »Nun«, meinte er, »eine ziemlich ungewöhnliche Sache. So etwas ist mir in meiner ganzen Praxis noch nicht vorgekommen. Aber ich setze alles auf die hohe Meinung, die ich von Ihnen habe, Miss Marple.«
     
    Sir Henry saß mit Colonel Melchett, dem Polizeipräsidenten der Grafschaft, und Inspektor Drewitt zusammen in einem Zimmer.
    Der Polizeipräsident war ein kleiner Mann, der ein etwas aggressives, militärisches Benehmen zur Schau trug. Der Inspektor war breit und stattlich und überaus vernünftig.
    »Ich habe wirklich das Gefühl, dass ich meine Nase in Dinge stecke, die mich nichts angehen«, erklärte Sir Henry mit gewinnendem Lächeln. »Ich kann Ihnen nicht einmal sagen, warum
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