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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist
Autoren: Jan Guillou
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hatte er das ganze Projekt mit einem verächtlichen Schnauben abgetan.
    »Zusammengefaßt«, hatte er seine Überlegungen beendet, »suchen wir also folgendes: einen schwedischen Sicherheitsbeamten im Alter zwischen 25 und 30 Jahren, der in irgendeiner Form eine revolutionäre Vergangenheit hat. Schon daran dürfte die Sache aus naheliegenden Gründen scheitern. Selbst in Schweden dürften Linke beim Sicherheitsdienst ziemlich ungewöhnlich sein. Außerdem soll er noch militärische Sonderkenntnisse haben. So etwas gibt es auf dieser Welt nicht.«
    Aber Auftrag ist Auftrag und muß erledigt werden. Die schnellste Methode, bis zum Ende dieser Sackgasse vorzudringen, bestand selbstverständlich darin, über die Verfassungsschutzzentrale in Köln anzufragen, ob dort oder mit Hilfe des Bundesnachrichtendienstes in Pullach jemand aufzutreiben sei, der dem Wunschbild auch nur nahekam. Nach dem selbstverständlich negativen Bescheid würde die Angelegenheit für Loge Hecht beendet sein und an das BKA in Wiesbaden zurückgehen.
    Hecht arbeitete seit drei Jahren mit Siegfried Maack zusammen, und so hätte er eigentlich schon beim Betreten des Zimmers bemerken müssen, daß sich in dem heutigen Papierstapel etwas Besonderes befand. Er hätte es ihm anmerken müssen, noch vor dem Augenblick, in dem Maack, nachdem er wie gewöhnlich abgewartet hatte, bis sein Chef einen Schluck Kaffee getrunken hatte, ihm wortlos das Fernschreiben des BND über den Tisch schob. Hecht las mit wachsender Verblüffung:
    Antwort auf Anfrage, Telex Abteilung 111 VS/Hamburg/ Hecht über VS/Z-Köln, 23. November. Nach der gegebenen Beschreibung kommt folgendes Objekt in Frage: Carl G. Hamilton, Marineleutnant, Alter 30. Beamter mit besonderen Aufgaben beim Sicherheitsdienst RPS/ Säk/Stockholm. Registriert wegen verfassungsfeindlicher (marxistischleninistischer) Verbindungen, Zugehörigkeit zur Studentenvereinigung Clarté sowie zu pro-palästinensischen Gruppen etc. Sonderausbildung als Marinetaucher sowie unbekannte weitere Ausbildung, vermutlich außerhalb Schwedens. Im vergangenen Jahr Einzeleinsatz gegen vier israelische Operateure (vgl. Archiv, Israel, unter dem Codewort »Stockholmer Fiasko«).
    Alle vier Israelis wurden bei der Konfrontation getötet. Bewaffnet; vermutlich umfangreiche waffentechnische Kenntnisse. Warnung: größte Vorsicht bei evtl. Konfrontation. Codename: Coq Rouge. Kein Foto. Ende der Mitteilung.
    »Es fällt mir schwer, das zu glauben«, flüsterte Loge Hecht, nachdem er das lakonische Fernschreiben des BND langsam durchgelesen hatte. »Solche Tiere gibt’s doch nicht. Nicht mal bei Hagenbeck würden sie ihren Augen trauen.«
    »Da hast du deine echte Legende, um mal damit anzufangen«, sagte Maack mit einem feinen Lächeln. Soweit er sich erinnern konnte, sah er seinen Chef zum ersten Mal verblüfft. »Was soll denn das übrigens heißen, marxistischleninistisch?« fuhr Maack sanft fort, um sich seinem Chef, der offensichtlich aus dem Gleichgewicht war, nicht allzu taktlos aufzudrängen.
    Loge Hecht hatte sein Gleichgewicht aber schon selbst wiedergefunden und antwortete in seinem gewohnten, zusammenfassenden Stakkato-Tonfall.
    »Studentische Linke, wütende Gegner des individuellen Terrors, wie es in ihrer Sprache heißt. Er ist theoretisch bestens gedrillt, beherrscht vermutlich die gesamte antiimperialistische Terminologie, also auch in dieser Hinsicht perfekte Voraussetzungen. Besser hätte es gar nicht kommen können.«
    »Und in militärischer und technischer Hinsicht? Welches Stockholmer Fiasko der Israelis meinen sie, sollte es tatsächlich ein einziger Mann gewesen sein, der?« fragte Maack weiter, obwohl er die unangenehme Fortsetzung der Frage gleichsam aus Pietät in der Schwebe ließ. Jetzt war er sich seiner Sache noch sicherer als am Morgen, als er das Fernschreiben zum ersten Mal gesehen hatte. Hier ergaben sich offenbar erstaunliche Perspektiven.
    »Das Stockholmer Fiasko mußt du doch kennen. Die Israelis hatten sich in den Kopf gesetzt, das Personal des Stockholmer PLO-Büros auszuschalten, warum, habe ich vergessen, jedenfalls ging die Sache furchtbar daneben. Soviel ich damals hörte - obwohl ich es für reinen Klatsch hielt-, war es ein einziger Mann des schwedischen Sicherheitsdienstes, der alle vier Israelis erledigte. Und hier haben wir ihn wieder. Wir haben es also mit einem qualifizierten Mörder zu tun, der dazu noch eine kommunistische Vergangenheit hat. Netter Bursche, was?«
    »Bei dieser
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