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Der Daleth-Effekt

Der Daleth-Effekt

Titel: Der Daleth-Effekt
Autoren: Harry Harrison
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von überall her zu kommen. Den Männern war, als ob ihre Schädelknochen vibrierten. Doch der Schmerz schwand schnell, als sich die Vibration in niedrigerer Tonlage fortsetzte.
    Als der Ton langsam erstarb, begann es in der Isbjørn zu knacken – zuerst im vorderen Teil der Schiffshülle, dann überall. Erregte Rufe wurden an Deck laut. Eine Art Schauer durchlief das Schiff; winzige Wellen entstanden an seiner Wasserlinie und saugten an der Hülle.
    »Da!« keuchte jemand, und die Männer starrten hinüber. Es war unglaublich.
    Wie auf einem gigantischen Unterwasserpodest begann der massive Leib des Eisbrechers sich aus dem Wasser zu heben. Zuerst erschien die Ladelinie, dann der rotgestrichene untere Teil des Schiffes. Hier und da undeutliche Flecken, Muschelkolonien, und darunter hing schlaff nasser Tang. Am Heck wurde der muschelbesetzte untere Teil des Ruders sichtbar, gefolgt von der Schraube, die sich immer weiter aus dem Wasser hob, bis alle Flügel tropfend freilagen. Die Seeleute an Land ließen hastig die Taue los.
    »Was ist das? Was soll das?« rief einer der Beobachter, aber seine Stimme ging in dem aufgeregten Geschrei der anderen unter.
    Der Schneefall ließ etwas nach, und die Flocken wurden von den Böen herumgewirbelt; im Schein der Lampen am Kai traten das Schiff und die See jetzt wieder überdeutlich hervor. Das abfließende Wasser übertönte sogar die Wellen, die gegen die Kaimauer klatschten.
    Der Kiel des Schiffes hing jetzt gut einen Meter über der Oberfläche des Yderhavn-Kanals.
    »Arnie – alles klar. Du hast es geschafft!« Ove umklammerte den Hörer und starrte auf die mehrere tausend Tonnen schwere Masse des Schiffes, die jetzt vor ihm frei in der Luft schwebte. »Es hängt mindestens einen Meter über dem Wasser. Du mußt jetzt die Energie zurücknehmen, und …«
    »Das tue ich auch«, sagte Arnie erregt. »Aber es bildet sich eine Oberschwingung, eine stehende Welle …«
    Seine Worte gingen in einem metallenen Ächzen der Isbjørn unter, die zu erzittern schien. Mit erschreckender Plötzlichkeit sackte dann das Heck ab, als wäre ein unsichtbarer Stützbalken weggezogen worden. Das Schiff klatschte schräg ins Wasser.
    Ein Geräusch wie von einem gigantischen Wasserfall. Im nächsten Augenblick erschien eine schwarze Woge über der Kaimauer, richtete sich auf wie ein sprungbereites Tier, verharrte einen Meter, zwei Meter reglos in der Luft und kippte dann über. Augenblicklich verwandelte sie sich in einen knietiefen, schäumenden Brecher, der die Beobachter umspülte und dann laut gegen die Mauer hinter dem Kai klatschte. Er warf die Männer um, schleuderte sie durcheinander, riß sie davon und schwemmte sie wie gestrandete Fische hierhin und dorthin, ehe er in die nächtliche See zurückströmte.
    Sogleich hörte man Stöhnen und Schreie, und der Lärm fand sein Echo auf dem Schiff.
    »Hierher – hier ist der Admiral!«
    »Nicht berühren – das Bein ist gebrochen, hoffentlich ist nichts Schlimmeres passiert.«
    »Schlimm genug …«
    »Runter von mir …!«
    »Rufen Sie einen Krankenwagen. Der Mann hier ist verletzt …«
    Schwere Stiefel knallten über das Pflaster, als die Wächter herbeigelaufen kamen; jemand brüllte in das Mikrofon eines Polizeifunkgeräts. An Bord der Isbjørn schepperte es metallisch, während das Schiff wild hin- und herschwankte. Die Stimme des Kapitäns war deutlich herauszuhören. »Wir ziehen achtern Wasser – die Holzpflöcke, ihr Idioten! Wenn ich die Leute zu fassen kriege, die …«
    Das ohrenbetäubende Heulen von Sirenen einiger Streifenwagen wurde lauter, und gleich darauf war auch das näherkommende Schrillen von Krankenwagen zu hören.
    Ove sah sich verwirrt um. Die Welle hatte ihn an die Mauer geschwemmt; er war von Kopf bis Fuß durchnäßt und hatte sich im Telefonkabel verheddert. Vorsichtig setzte er sich auf, lehnte sich an den rauhen Stein und beobachtete die wild hin- und herlaufenden brüllenden Männer. Die plötzliche Katastrophe war für ihn ein Schock; es hatte sicher Verwundete, möglicherweise sogar Tote gegeben. Das alles war so entsetzlich. Es hätte nicht passieren dürfen.
    Zugleich wallte ein derartiges Glücksgefühl in ihm auf, daß er fast laut geschrien hätte. Es hatte geklappt! Sie hatten es geschafft! Arnies Voraussagen über den Daleth-Effekt hatten sich als richtig erwiesen.
    Die Welt hatte heute nacht etwas hinzugewonnen, etwas, das bisher nicht existiert hatte; und von diesem Augenblick an war die Welt
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